April 2022 – Antibiotika für Mykolajyw

Während sich die Materialbeschaffung für den zweiten „EFI-LKW“ verzögert (der Medizinproduktehandel ist nicht in der Lage, grössere Mengen zu liefern und sagt uns, es wäre zur Zeit schwierig genug, den laufenden Betrieb der Kliniken in Deutschland zu bedienen), konnten wir über die EFI-Apotheke eine relevante Portion von breit wirksamen Antibiotika beziehen. Um diese waren wir aus der Klinik in Mykolajyw dringend gebeten worden, einer städtischen Klinik, die seit Ende Februar täglich zwischen zehn und 20 akut durch Kriegshandlungen Verletzte behandelt. Die Medikamente im Wert von einigen Tausend Euro werden Ende der Woche von einem Bekannten des schon genannten ukrainischen Kollegen privat in die zunehmend russischen Angriffen ausgesetzte südukrainische Grossstadt gebracht werden.

Schon die Corona-Pandemie hatte schlagartig gezeigt, dass die Medikamentenversorgung (und auch die mit anderen im Gesundheitswesen erforderlichen Materialien wie Masken, Kittel, Desinfektionsmittel etc.) sehr fragil und höchst störanfällig ist. Grosse bis grösste Teile der Produktion (in der Pharmazie z.B. fast 90%, bei Standardmedikamenten sogar 100%; vor allem auch bei Ausgangsstoffen) finden in Indien, China und weiteren Ländern des asiatischen Ostens und Südostens statt, wo die Herstellung dank niedrigen Löhnen und leider auch – da will keiner so genau hinschauen – niedrigeren Umweltstandards kostengünstiger ist. Es herrscht kaum Dissens, dass diese „Kostengünstigkeit“ eine sehr kurzsichtige Angelegenheit ist; die Gefährdung der Gesundheit ganzer Bevölkerungen zur Herstellung von Medikamenten zur Verbesserung der Gesundheit anderswo auf der Welt ist kein Einzelbeispiel, aber jedenfalls von bemerkenswertem Zynismus.

Ob sich die industrielle Entwicklung zurück drehen lässt mit Dezentralisierung  und Rückverlagerung der Produktionsstätten an den Ort des Bedarfs (z.B. EU oder kleiner), ist sehr fraglich – jedenfalls ist es keine Angelegenheit von ein paar wenigen Jahren.

Die Spende an Nahtmaterial ist wie gesagt (s.o., Aktuelles) heil eingegangen, das Dankschreiben der Klinik hängt dieser Meldung an:

„Die Verwaltung von KNP MMR „City Hospital of Ambulance“ von Nikolaev drückt Respekt und Dankbarkeit dem deutschen Volk und Ihnen persönlich fur die Unterstützung des Widerstands des ukrainischen Volkes gegen die russische Aggression aus. Unser Krankenhaus ist eine fortschrittliche medizinische Einrichtung, die seit Kriegsbeginn mehr als 800 zivilen Opfern und Verwundeten geholfen hat. Das Krankenhauspersonal ist dankbar für jede Hilfe, die wir von der Europäischen Union erhalten. Wir fühlen uns wie ein Mitglied Ihrer großen Familie. und wir streben nach Frieden und Entwicklung in europäischen Ländern ohne die Schrecken des Krieges und die Zerstörung von Städten. Wir hoffen, dass wir Ihnen und Ihrem Vaterland in jedem Fall nützlich sein werden.

З повагою, Директор КНП ММР «Міська лікарня швидкої медичної допомоги“

 

April 2022 – mehr ist in Arbeit, alles was wir können

Der Krieg, den Russland offenbar unter Lügen und Täuschungsmanövern in die Ukraine getragen hat, sprengt inzwischen alle Dimensionen der Grausamkeit, der Menschenverachtung und des Zynismus. Ein Mörder, der am Tatort neben einer Leiche eine Waffe, Fingerabdrücke und DNA hinterlassen hat, wird mit der Behauptung, das Opfer habe all das arrangiert, nicht besonders weit kommen. Wie zynisch ist es, Menschen, Zivilisten, „Nichtkombattanten“, zu foltern, zu vergewaltigen, zu töten und in Massengräbern zu vergraben und dann zu behaupten, das hätten ihre Angehörigen und Nachbarn getan?

Die  Gründe, dass sich die NATO oder andere zivilisierte Nationen nicht direkt mit kriegerischen Methoden involvieren, sind zahleich und nachvollziehbar. Gerade wenn offensichtlich moralische Bedenken keinerlei Rolle spielen, ist das Risiko einer weiteren, nicht auszudenkenden Eskalation real. Dennoch ist es schwer zuzusehen, wie das Morden weitergeht und uns nur bleibt, Verletzungen, Hunger, Obdachlosigkeit, Angst und seelische Traumen schwerster Art zu lindern, wo wir sie verhindern sollten. Die Abwägung zwischen der Chance, den brutalen Krieg mit Verzicht auf jeden Handel mit Russland zu verkürzen und schliesslich zu beenden einerseits und der Gefahr eines höheren Benzinpreises und einer zwei Grad weniger überwärmten Wohnung andererseits kann ich überhaupt nicht verstehen – was gibt es da zu überlegen? Stehen Komfort, unbegrenztes Rasen auf der Autobahn oder ein wirtschaftlicher Rückgang, wie ihn zuletzt die US-Immobilienblase 2007 hervor gebracht hat, auf irgendeiner Werteskala höher als Tausende oder Zehntausende Getötete, Gefolterte und Vergewaltigte?

Das Wenige, was wir tun können, tun wir aber mit Überzeugung und mit der Hoffnung, ein kleines Bisschen Hilfe bringen zu können und ein Zeichen zu senden, dass wir Deutschen egal, wie sich die „hohe“ Politik präsentiert, solidarisch sind mit den Angegriffenen im Fast-Nachbarland Ukraine.

EFI hat – aus Spenden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreisklinik EBE, aus teils beträchtlichen Spenden von langjährigen Förderern und aus der Industrie über die bereits ausgegebenen hinaus weitere Mittel eingeworben und bereitet gerade einen zweiten 40-t-LKW für denTransport vor. Der Partnerverein „Begegnungen mit Menschen e.V.“ aus dem Wasserburg Raum, der schon bei der Durchführung des ersten Grosstransports wesentlich geholfen hat, rechnet mit etwa € 20.000.- aus Solidaritäts-Veranstaltungen kultureller und sportlicher Art am vergangenen Wochenende, so dass wir wohl in der Lage sein werden, den LKW mit wichtigem und bitter benötigtem medizinischem Material zu füllen.

 

Auch Ihre Spenden sind herzlich willkommen!

Nachtrag: das Nahtmaterial (s. „Aktuelles“) hat noch vor Ostern, genau gesagt am Gründonnerstag 14-04-22, ohne Zwischenfälle die Klinik in Mykolajyw erreicht

 

April 2022 – Nahtmaterial ist unterwegs nach Mykolajyw

In enger Zusammenarbeit mit der Kreisklinik Ebersberg konnten wir innerhalb weniger Tage über 2.000 chirurgische Fäden incl. Nadeln in verschiedenen Stärken und teils aus selbstauflösendem, teils aus lang haltbarem Material beschaffen – ein herzliches Dankeschön an Einkaufsleiterin Frau Werner und auch an Frau Jäger von Fa. B. Braun in Melsungen für grosszügige Rabatte in Form von hohem Preisnachlass und zusätzlichem Naturalrabatt!

Dr. Kobetskyi aus der Chirurgie-Abteilung in Ebersberg kümmert sich um den Transport, der am 11. April aus der Kreisklinik mit einem Privatfahrzeug abgegangen ist und hoffentlich die mehr und mehr unter Beschuss stehende Stadt schon erreicht hat. Wir warten gespannt auf Nachricht.

Mit 2.000 Päckchen Nahtmaterial kommt bei sparsamem Umgang ein Haus der Grösse der Ebersberger Kreisklinik einen Monat lang aus, wir wünschen den Kolleginnen und Kollegen in Mykolajyw eine sichere Hand. Und wünschen uns allen, dass diese und alle folgenden Spenden so bald als möglich nicht mehr für Granatsplitterverletzungen und Minenschäden verwendet werden müssen, sondern einer Nutzung in baldigen friedlichen Zeiten zugeführt werden können.

März 2022 – EFI tut was möglich ist

Fünf Wochen dauert der sinnlose und grausame Krieg bereits, den Russland unter seinem Despoten aus Gründen, die im 21. Jahrhundert in Europa niemand mehr nachvollziehen kann, in das Nachbarland Ukraine getragen hat. Wenn die russische Bevölkerung wüsste, was sich in ihrem Namen dort abspielt, würde sie nie und nimmer zustimmen; die Bevölkerung wird aber nicht gefragt, sondern nach Kräften desinformiert, mit Lügen und falschen Behauptungen versorgt und von nachprüfbarer Information fern gehalten. Oder, wenn all das nicht genügt, auf offener Strasse verhaftet und weggesperrt.

Selbstverständlich ist auch nicht alles, was wir aus den Medien über die ukrainische Situation erfahren, hundertprozentige und unbeeinflusste und untendenziöse Wahrheit, das wissen wir so gut wie unsere ukrainischen Freunde (und auch unsere russischen Freunde hier in Ebersberg und München). Aber: dass mit militärischen Mitteln gegen Städte und Einrichtungen militärischer und ziviler Art vorgegangen wird, daran besteht kein Zweifel, und dass dies in der Ukraine stattfindet und nicht in Russland, das steht ebenso ausser Frage. Wer Bomben wirft und mit Panzern Grenzen überschreitet, ist NIEMALS im Recht.

EFI hat mittlerweile Nachricht, dass unser erster Transport vollständig und wohlbehalten in Lutsk (Grösse wie Mainz oder Lübeck) angekommen ist und auf mehrere Krankenhäuser verteilt wurde (s. „Aktuelles, Februar“). Über die Münchener Ukrainische Gemeinde (eine persönliche Verbindung dorthin besteht über einen Kollegen der Ebersberger Kreisklinik) wurde vor ein paar Tagen ein Transport nach Saporischschja angekündigt (eine grosse Stadt, etwa so gross wie Stuttgart, im Südosten des Landes am Dnjepr). Diesen Transport haben wir anhand einer Wunschliste des dortigen Klinikums mit verschiedenen Medikamenten, Infusions- und Plasmaersatzlösungen ausgestattet, die unser Mitglied Dr. Detterbeck in der Apotheke rasch besorgen konnte, welche seit Jahren unsere Interplast-Einsätze zu sehr günstigen Konditionen versorgt. Der Wert dieser Spende dürfte um die 8-10.000 € Euro liegen (die Rechnung steht noch aus, wir hoffen auf Milde).

Mit den Wasserburger Freunden vom Verein „Begegnungen mit Menschen“ planen wir auf Hochtouren, einen weiteren LKW mit medizinischem Material auszurüsten, das zum grössten Teil wieder über die Kreisklinik Ebersberg zu günstigen Preisen gekauft werden kann. Dank der erfolgreichen (und noch laufenden; s. „Aktuelles, Februar 22“) Spendenaktion, an die sich inzwischen Aktionen im Rosenheimer Raum und in Wasserburg angeschlossen haben, hoffen wir, bald ein Spendenvolumen von weiteren ca. € 20.000.- verfügbar zu haben. Damit lässt sich doch allerhand Material beschaffen, wenn man sich auf die tatsächlichen Notwendigkeiten besinnt, z.B. Verbandsmittel, Pflaster, chirurgisches Nahtmaterial incl. Pinzetten, Scheren und Nadelhalter, dazu Blutersatzmittel, Infusionen und Zubehör, um nur Einiges zu nennen. All das ist auch schnell verbraucht, aber wir sind ja nicht die einzige Organisation, die sich um Nachschub bemüht.

Über eine weitere persönliche Beziehung (auch in der Ebersberger Klinik sind russische und ukrainische Ärzte beschäftigt, die in völliger Übereinstimmung an einem Strang ziehen) haben wir Kontakt zur Zentrale des Kuratoriums für Heimdialyse aufgenommen, weil ein Freund und Kollege in Kiew (doppelt so gross wie München) eine Dialyseabteilung leitet und um Hilfe bei der Beschaffung von speziell erforderlichen Verbrauchsartikeln gebeten hat (Schlauchsysteme, spezielle Lösungen). Sobald Spezifikationen geklärt sind und Transportwege feststehen, werden wir unser Möglichstes tun.

Schliesslich hat ein weiterer persönlicher Bekannter, Chirurg in einer grossen Klinik in Mykolajyw (südliche Ukraine, nicht weit vom Schwarzen Meer halbwegs zwischen Krim und Odessa und damit besonders umkämpftes Gebiet; Grösse etwa wie Nürnberg oder Hannover) dringend um Hilfe mit Nahtmaterial und Op-Instrumenten gebeten. Wir versuchen, eine wenigstens vorübergehend entlastende Menge so rechtzeitig zu beschaffen, dass sie mit einem Privatwagen transportiert werden kann, der Ende nächster Woche auf den gefährlichen Weg gehen wird.

Aus mehreren Gründen achten wir darauf, dass unsere Verbindungen möglichst über private Beziehungen ablaufen oder wenigstens abgesichert sind. Zu viele Nachrichten, ob immer zutreffend oder nicht, sprechen davon, dass nicht nur humanitär Aktive unterwegs sind, sondern auch genug Menschen, die aus den entstandenen Notlagen Gewinn ziehen wollen, auch wenn es sich um Landsleute handelt (auch in Deutschland wird die überwältigende Merheit der Straftaten von Deutschen an Deutschen verübt). Ich  erinnere an die nicht immer erfolglosen Versuche an den Ankunftsbahnhöfen, vor allem jungen Frauen mit dem Versprechen von Wohnung und Hilfe die Pässe abzunehmen; der Verlauf ist danach derselbe wie beim „normalen“ Menschenhandel, nur dass die Mühe mit dem Transport aus dem Herkunftsland nach Deutschland wegfällt. Es ist also durchaus vorstellbar, dass gespendetes Material nicht wie geplant seinen Weg an den Ort des Bedarfs findet, sondern auf dem Schwarzmarkt auftaucht oder sogar ins Ausland weiter verteilt wird. Letztlich wird mit einer Mullkompresse niemand Schaden anrichten und jedem, der sie benötigt, sei sie vergönnt. Die Absicht ist aber, die Kriegsgeschädigten zu unterstützen, und deshalb lassen wir die mögliche, wenigstens die in der gebotenen Eile mögliche Vorsicht walten.

Danke an alle Spenderinnen und Spender, und bitte nicht nachlassen!