Haridwar ist einer der heiligsten Orte in Indien; die Stadt befindet sich dort, wo der heilige Fluss Ganges den Himalaya verlässt und in die nordindische Ebene eintritt. Jedes Jahr wird Haridwar von Millionen Pilgern besucht, die dort ein spirituelles Bad in der „Mutter aller Flüsse“ nehmen.
Alle 12 Jahre findet unter dem Namen Kumbh Mela ein religiöses Festival statt, zu dem sich innerhalb von ca. drei Wochen 20 bis 30 Millionen Pilger einfinden, eine gewaltige organisatorische und logistische Aufgabe für eine Kleinstadt von gerade 200.000 Einwohnern.
April 2024 – die Vorbereitung für den nächsten Einsatz hat begonnen
Nachdem uns die Freunde in Haridwar nochmals versichert haben, sie könnten die beim letzten Einsatz (und zuvor beim Einsatz-Versuch in Noida) so entnervenden formal-administrativen Schiwerigkeiten (Schikanen?) frühzeitig ausräumen und würden uns zudem bei den restlichen formalen Vorbereitungen nach Kräften unterstützen, haben wir nunmehr einen Termin für Einsatz Nr. 13 vereinbart und fixiert, und zwar die zweite Novemberhälfte. Ankerpunkt ist seit Beginn das mehrtägige hinduistische Lichterfest Diwali (oder Dipavali), dessen Termin – wie in christlichen Ländern beispielsweise Ostern – schwankt, und zwar zwischen Mitte Oktober und Mitte November. In diesen Tagen, die von einer Vielzahl religiöser Rituale bestimmt sind, findet ein ziviles Leben in Indien (und ebenso z.B. in Nepal und Sri Lanka) nur ganz eingeschränkt statt, und auch nach Ende der Festivitäten braucht es einige Tage, bis wieder „Normalität“ eingekehrt ist – eine Situation, die etwa dem zivilen Leben im deutschen Rheinland während der Karnevalstage vergleichbar ist. 2024 fällt Diwali auf die letzten Oktober- und die ersten Novembertage.
Um auf einige organisatorische Gegebenheiten hinzuweisen, die einem bei der Erwähnung „humanitäre Arbeit“ nicht auf Anhieb in den Kopf kommen, hier ein paar Themen.
Deutsche Kliniken, vor allem Kliniken in der öffentlichen Hand, sind in den letzten Jahren dazu übergegangen, die Personalplanung immer restriktiver zu regulieren, heisst im Klartext: wer zuverlässig im November eines Jahres zwei Wochen Urlaub wahrnehmen will, sollte das tunlichst schon im Herbst des Vorjahres planen und in die Urlaubsplanung der betreffenden Abteilung einbringen (der genaue Termin für einen Interplast-Einsatz steht da meist noch nicht fest). Für Urlaub im November kann es gelegenbtlich auch weniger langfristig möglich sein, für den Sommer oder die Ferienzeit von Kindern ist es mittlerweile nahezu unmöglich. Da die Personaldecke fast überall zu kurz ist und das Problem bei allen mehr oder weniger dasselbe ist, lässt sich auch kaum eine Tauschpartnerin oder ein Tauschpartner finden.
Ähnlich liegen die Dinge in den Praxen; dass die Termine, vor allem die für ambulante Operationen, auf Monate hinaus vergeben und festgelegt sind, ist eher die Regel, und eine Verschiebung oder Absage solcher langfristiger Termine ist nicht das, was man sich als Patientin oder Patient wünscht. Auch Patienten müssen für planbare Operationen Vorbereitungen treffen, z.B. selbst Urlaub nehmen, die Versorgung kleiner Kinder oder zu pflegender Angehöriger organisieren etc.. Die Aufgabe des EFI-Teams besteht darin, all das für 10 berufstätige Teammitglieder auf die Reihe zu bekommen und zwar so, dass zu einem Zeitpunkt das gesamte Team feststeht, zu dem wegen der nun schon mehrfach angesprochenen Schwierigkeiten mit Registrierung und Visa noch ausreichend Abstand zum Abflugtermin bleibt. Das Risiko, dass bei so langfristiger Planung auch einmal ein Teammitglied ausfällt wegen eigener Krankheit oder Erkrankungen in der Familie oder am Arbeitsplatz, bleibt bis zum Abflugtag bestehen, kurzfristiger Ersatz ist dann aus all den genannten Gründen extrem schwierig, meistens unmöglich.
Interplast Germany e.V. gibt an verschiedenen Stellen – im Jahresbericht, in Interviews oder anderen Veröffentlichungen – verschiedene Zahlen für die Einsatzkosten an, zumeist als € pro Patient; in den letzten Jahren waren zu lesen 75 € pro Patient, gerne auch 250 € pro Patient. Nicht immer ist z.B. klar definiert, ob es sich um Kosten je Patient oder Kosten je Eingriff handelt (bei
manchen Patienten werden in einer Sitzung mehrere Eingriffe durchgeführt, z.B. Verbrennungsnarben gelöst an Hals, Ellbeuge und Händen oder, noch deutlicher, Eingriffe an allen Fingern einer Hand). Es ist natürlich auch ein riesiger Unterschied, ob es sich bei dem fraglichen Eingriff um eine komplexe Operation z.B. bei Noma (Gesichts“krebs“) handelt, für die Mikroskop, spezielles mikrochirurgisches Instrumentarium, die Gewinnung eines mit Blutgefässen versehenen Gewebsstückes von anderswo am Körper und mehrstündige konzentrierte Arbeit erforderlich sind, oder ob mit einer Stromschlinge („Elektrokauter“) im Zehnminutentakt Gewebswucherungen z.B. bei AIDS abgetragen werden (Kondylomata, Feigwarzen). Das ist als, ob man einen Stückpreis für Obst angeben würde, was dann einmal eine Johannisbeere, einmal eine japanische Yubari-Melone meint. Nach EFI´s eigenen Daten kostet ein Einsatz unter den von uns gewählten Bedingungen (Teamgrösse 10 Personen, eigene Ausrüstung, Kostenabdeckung für Transport und gesamtes Verbrauchsmaterial; zwei Op-Tische parallel an 9-10 Op-Tagen; Unterkunft und Mahlzeiten durch Gastgeber, ebenso alle Kosten im Krankenhaus für Personal, Labor, Röntgen etc.) um die € 20.000.- zuzüglich die Abschreibung für Nicht-Verbrauchs-Material wie Op-Tische (Anschaffungspreis ca. € 15.000.-), Op-Leuchten (8.000.-), Anästhesiegerät (30.000.-) oder chirurgisches Instrumentarium (40.000.-). Bei grosszügiger, mit Erfahrungen belegter Annahme einer Nutzungsdauer von 8 Jahren und bei einem Einsatz pro Jahr resultieren alleine hieraus € 12.000.- pro Jahr bzw. bei 80 Patienten schon € 150.- aus Abschreibung. Dazu kommen die pro Einsatz anfallenden Kosten in Höhe der genannten ca. € 20.000.- entsprechend für jeden der 80 Patientinnen und Patienten € 250.-, zusammen also € 400.-. Und um die trockenen, aber zutreffenden Zahlen abzuschliessen, fehlen in dieser Summe pro Patient natürlich noch die verhältnismässig geringen Ausgaben für den „Betrieb“ von EFI, die sich je nach Jahr auf etwa € 3-5.000.- belaufen, vor allem aber die Mittel, die von den Gastgebern zum EFI-Einsatz zugeschossen werden und die sich nach zuverlässigen internen Angaben auf weitere ca.. € 30.000.- belaufen. Schon in dieser günstigen Konstellation betragen die realistischen Kosten pro Patient also mit gut begründeter Schätzung € 800.-.
Wenn, wie von anderen Teams regelmässig berichtet, von Interplast nicht nur Transport, Material, Unterkunft und Verpflegung, sondern auch die Krankenhauskosten für die Patienten und oftmals auch noch sog. „Kopfgelder“ bezahlt werden müssen, lässt sich die Wunschvorstellung von € 250.- (oder noch weniger) rechnerisch nur mit starken Verbiegungen darstellen. Realistisch haben sich im Vergleich zur Zeit vor Corona nur als Beispiel die Ticket-Preise auf vielen Routen nahezu verdoppelt (auch bei Ausweichen auf vom Flugplan her weniger komfortable Carrier), was alleine bei den o.g. Annahmen pro Patient mit € 80.- zu Buche schlägt. Die Medikamentenkosten sind über die Jahre deutlich gestiegen, Spenden aus der Industrie sind selten geworden, die Fluglinien, die humanitäre Einsätze in der Vergangenheit regelmässig und gerne zum Greenwashing verwendet und dafür ein paar Kilo Übergepäck gespendet haben, sind für entsprechende Anfragen taub.
Damit diese Zeilen nicht falsch verstanden werden: es ist nichts Unmoralisches daran, für mittellose Patienten Fahrt- oder Nahrungsmittel- oder Unterbringungskosten zu übernehmen. Es geht hier lediglich darum, den Spenderinnen und Spendern begründet darzustellen, was alles mit ihren Spendengelder passiert. Es ist nicht die Schuld der Teamorganisatorinnen und -organisatoren, wenn die Kosten pro Patient aus den genannten und anderen Gründen ansteigen, deshalb ist Aufklärung über die Gründe sicher wichtiger als das Festhalten an unzutreffenden Zahlen der Schönheit wegen.
Stand heute (07. Mai 24) haben für den Novembereinsatz in Haridwar zugesagt Frau Dr. Gaby Fromberg/Murnau als chirurgische „Chefin“, Dr. Wolfgang Detterbeck/Breitbrunn als leitender Anästhesist und Ana Maria Lázaro Martín/Gleishorbach für die Op-Pflege, dazu die erfahrenen Haridwar-Fahrer*innen Jörg Dannheuser/Ebersberg (Chirurgie), Andrej Moskvin/Ebersberg (Anästhesist) und Andrea Orth/Fußgönheim (Op-Pflege), ferner Felix Detterbeck/Breitbrunn (Organisation und Dokumentation). Neu im Team werden sein Pia Englert/Icking (Op-Pflege), Frau Dr. Catrin Zuck/Rechthmering (Anästhesie) und – neu in Haridwar, aber alles andere als neu bei Interplast – Frau Dr. My Nguyen/Stolberg. Für das plastisch- chirurgische „Teil-Team“ kämpfen zwei erfahrene Kandidaten noch mit den o.g. Planungshürden, ebenso Andrej Moskvin aus Ebersberg, der seit Jahren zum Haridwar-Team zählt. Nach dem sehr knapp besetzten Team 2023 haben wir diesmal personell erweitert, vor allem in der erklärten Absicht, jüngere Spezialist*innen mit Haridwar vertraut zu machen, damit sie eventuell gelegentlich die Nachfolge der Teammitglieder antreten können, die nun schon seit 15 Jahren dabei sind. Auch das gehört zu den Pflichten der Einsatzorganisation (und muss natürlich – s.o.- auch finanziert werden).
Wir hoffen, dass sich das Team schon bald komplett zusammenfinden wird, damit der 13. Einsatz gelingen kann.
Das Dutzend ist voll – im 16. Jahr der 12. EFI-Einsatz in Haridwar
Nach Corona-bedingten Ausfällen in 2020, 21 und 22 sowie einem Ausfall 2013 wegen katastrophaler Überschwemmung in grossen Teilen Nordindiens konnte nun nach erheblichen Anstrengungen (s. die vorstehenden Berichte; u.a. Verlust wichtiger Ausrüstungsteile mit aufwendiger und auch teurer Neubeschaffung; erhöhte administrative Anforderungen etc.) und Komplikationen bis wenige Stunden vor Abreise tatsächlich das 12. Interplast-EFI-Camp abgehalten werden. Das Team bestand diesmal aus Gaby Fromberg, Murnau (Leitung) und Jörg Dannheuser, Ebersberg, beide Chirurgie, Wolfgang Detterbeck, Breitbrunn und Marcus Görisch, Ebersberg, beide Anästhesie, Ana Maria Lázaro Martín, Gleishorbach, Andrea Orth, Fußgönheim und Sabine Kahabka, Raubling, Op-und Anästhesieschwestern. Sechs „Routiniers“ und ein neues Gesicht, das spricht für sich selbst. Auch auf Gastgeberseite waren so gut wie alle RotarierInnen vor Ort, an erster Stelle natürlich Rima und Rajiv Bhalla. Ein örtlicher Chirurgie-Kollege, Dr. S.J. Singh, war ebenfalls mit von der Partie und verpflichtete sich, nach Abreise des Teams den Heilungsverlauf bei den Operierten zu beobachten, zu dokumentieren und uns auf dem Laufenden zu halten.
So konnten, als ob nichts gewesen wäre in der Zwischenzeit von ziemlich genau vier Jahren in den vertrauten Räumlichkeiten, mit den vertrauten Freund*innen vom Rotary Club und mit dem vertrauten Procedere fast 180 Patientinnen und Patienten untersucht und 45 davon zur Operation in den folgenden Tagen ausgewählt werden. Die Patientenzahl war deutlich geringer als in den Vorjahren, weil wir wegen der Schwierigkeiten und Unsicherheiten im Vorfeld diesmal personell nur für einen statt wie sonst für zwei Op-Tische geplant hatten. Umgekehrt wurden dafür Patienten bevorzugt, bei denen mehr als nur ein „einfacher“ Eingriff als erforderlich erachtet worden war – letztlich erfolgten bei den 45 Patienten simultan oder nacheinander 130 Eingriffe.
Im Vordergrund standen wie meist Folgen von Verbrennungen und daneben angeborene Fehlbildungen. Glücklicherweise waren auch diesmal wieder kaum Komplikationen zu beobachten, schon gar nicht solche schwerwiegender Art; eine inkomplette Anheilung eines Transplantats und eine geringfügige Nachblutung nach Tumor-Entfernung waren schnell behoben.
Die Freunde vom Rotary-Club Ranipur-Haridwar zeigten sich so engagiert wie eh und je, vor allem versprachen sie, in den kommenden Monaten alle möglichen Hebel in Bewegung zu setzen, damit der nächste Einsatz, der schon für die zweite November-Woche 24 geplant ist, mit weniger Unsicherheit und administrativem Aufwand für das Team vonstatten gehen kann. Wir trauen ihnen zu, das auf den Weg zu bringen, und haben unsererseits schon begonnen, das Team für 2024 zusammen zu stellen, diesmal wieder für zwei Op-Tische.
November 2023 – das EFI-Team ist nach vier Jahren wieder vor Ort
Bis in die letzten Stunden vor Abreise am 18. November 23 hinein gab es keine Gelegenheit zum Durchatmen. Zwei der elektronischen Visa wurden erneut nicht zeitgerecht erteilt, so dass eine persönliche Vorsprache im Münchener Generalkonsulat erforderlich wurde; daraufhin wurden immerhin diese beiden Visa in Papierform unverzüglich erstellt. Aber auch das bedeutete noch keine Ruhe: eines der Teammitglieder stürzte zwei Tage vor Abflug bei einem Rettungs-Einsatz auf einer Treppe und brach sich dabei das Sprunggelenk – Operation in Bayern statt Einsatz in Uttarkhand.
Und um das Mass voll zu machen (und fast zum Überlaufen zu bringen), erkrankte ein weiteres, diesmal ärztliches Mitglied akut und ebenfalls operationspflichtig (und in prominenter Gesellschaft). Die behandelnden Ärzte übertrugen die Entscheidung über die Camp-Teilnahme nur 48 Stunden später dem Patienten selbst, und nach langen Gesprächen und besonders gründlicher Abwägung der Möglichkeiten vor Ort im Falle unwahrscheinlicher, aber nicht auszuschliessender Komplikationen fiel der Entschluss dafür. In den wenigen Stunden dazwischen waren stundenlange Umplanungen („was wäre wenn“) für den gegenteiligen Fall nötig sowie die Ankündigung der geänderten Bedingungen in Haridwar bei unseren Freunden. Von dort kam wie stets jede erdenkliche Hilfe, sogar eine örtliche Ärztin war bereits „ersatzweise“ organisiert worden. Vorübergehend stand sogar die Absage des gesamten, so hart erkämpften Einsatzes im Raum. Jedenfalls möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass sich das gesamte Team auch bei diesem Anlass wieder als ein echtes Team gezeigt hat – ein Dankeschön von Herzen und grossen Respekt jeder und jedem Einzelnen!
Stand 25.11.: das gesamte Team, das sich diesmal aus Frankfurt/Main und München kommend in Doha/Qatar getroffen hatte, konnte samt „grossem Gepäck“ (in grossen Teilen neue Ausrüstung und neu beschaffte Verbrauchsmaterialien) ohne Probleme bei Pass- und Zollkontrolle einreisen und den Op im Mela-Hospital beziehen. Das Krankenhaus hat sich, höre ich vorläufig, wohl doch in den paar Jahren erheblich verändert, ebenso die Rahmenbedingungen. Näheres, sobald das Team mit seinen Einschätzungen und Berichten zurück sein wird. Desweiteren werden wir eine besonders exakte Kosten-Aufstellung vornehmen, da sich etliche Positionen in den vergangenen Jahren doch wesentlich verteuert haben. Es hat sich bei der Gelegenheit u.a. gezeigt, dass sich Standard-Medikamente im besten Gesundheitssystem der Welt nicht mehr einfach bestellen und abholen lasen. Für einige durch und durch übliche Pharmaka mussten wir selbst oder mit Hilfe von FreundInnen im Exil österreichische und schweizerische Apotheken in Anspruch nehmen, auch das ein nicht unerheblicher Kostenfaktor.
Die Rückkehr des Teams (Drs. Gaby Fromberg, Wolfgang Detterbeck, Jörg Dannheuser, Marcus Görisch, dazu Ana Lázaro Martín, Andrea Orth und Sabine Kahabka) ist für die ersten Dezembertage geplant. Die Spannung ist gross, ob alle einen erneuten Einsatz im kommenden Jahr befürworten werden, zumal von der Entscheidung auch eine eventuelle Wiederbelebung des an Ostern so schmerzlich wie krachend geplatzten Noida-Projekts abhängt.
Wachsende Unsicherheit
Nachdem der April-Einsatz in Noida an durch die Botschaften der Indischen Republik in Frankfurt und München offenbar willkürlich errichteten Hürden gescheitert war, haben wir unverzüglich mit den entsprechenden Vorbereitungen für Haridwar im November 23 begonnen und uns dazu die grösstmögliche Hilfe durch die gastgebenden Rotarier zusichern lassen. Es soll der 12. Einsatz in der Klinik werden, in welcher wir seit 2008 mit einem sehr stabilen Team weit über 1.000 Operationen durchgeführt haben. Wesentliche Ausrüstungsgegenstände vor allem im Op, aber auch auf Station, wurden von EFI beschafft (z.B. zwei neue Op-Tische, hochwertige LED-Op-Leuchten, Sauerstoffkonzentratoren, Geräte für die Elektrochirurgie, Anästhesiegeräte, Patienten-Überwachungsmonitore), dazu bewegliche Ausrüstung wie übliches und auch spezielles chirurgisches Instrumentarium (Akku-Säge, Dermatom etc.). Als „gebrannte Kinder“ durch die Absage des April-Einsatzes haben wir die Tickets für das Team in der Version „rückerstattbar gegen Aufpreis“ gewählt – bei der Gelegenheit auch einmal ein Dankeschön an Roswitha Frey in Ohlstadt, die es als unsere langjährige Reisebüro-Partnerin nicht immer einfach hat mit uns.
Im Augenblick, ziemlich genau vier Wochen vor geplantem Abflug, arbeiten die Freunde in Indien fieberhaft an der Registrierung der ärztlichen Teammitglieder bei der NMC, der National Medical Commission, die in ihren Aufgaben mit der deutschen Bundesärztekammer vergleichbar ist. Die Institution, die früher MCI, Medical Council of India, hiess und während der Corona-Pause in aller Stille dem nationalen indischen Gesundheitsministerium einverleibt wurde (so wie in Indien unter Mohdi nicht wenige Strukturen einen stärker nationalen bis nationalistischen Zuschnitt erhalten haben), verfügt nicht mehr über einen aus dem Ausland erreichbare Website, fordert aber andererseits für die Registrierung der Erlaubnis einer vorübergehenden Tätigkeit als Ärztin/Arzt die online-Beantragung auf eben dieser Website. Indische EDV-Spezialisten haben weltweit schwierigere Probleme als die Zugänglichkeit einer staatlichen Website aus Europa gelöst (wir haben es erfolglos aus Deutschland, Frankreich, Italien, der Schweiz, Andorra und Lichtenstein versucht), so dass das wohl keine zufällige und offenbar auch keine vorübergehende Situation ist. Und auch aus Haridwar, wo einer der Freunde stundenlang vor dem Computer sitzt und für ihn nicht immer gleich verständliche Daten in das Antragsformular eintippt, kommen fast täglich Nachfragen nach niemals zuvor beim MCI eingereichten Dokumenten.
Umgekehrt gestaltet sich auch die Erlangung eines adäquaten Visums wieder schwierig. Wie schon unter „Hauptprojekte: Noida“ beschrieben, widersprechen sich die Websites des Indischen Aussenministeriums und die der beiden wesentlichen Generalkonsulate in Deutschland untereinander, was die Erforderlichkeit eines bestimmten Visums-Typs für humanitäre unentgeltliche Arbeit betrifft. Eine nochmals abweichende dritte oder vierte Meinung findet sich bei den SachbearbeiterInnen. Zu allem Überfluss benötigt der Antragsteller im – ursprünglich als einfach angesehenen – Fall eines elektronischen Touristenvisums für die prinzipiell mögliche Option „humanitäre Tätigkeit“ einen sog. letter of good standing, also eine offizielle Unbedenklichkeitsbestätigung von der regional zuständigen deutschen Landesärztekammer. Für deren Erhalt ist allerdings erstens ein polizeiliches Führungszeugnis nowendig, zweitens muss der gegebenenfalls erteilte letter o.g.s. danach noch von einem öffentlich bestellten Übersetzter ins Englische übertragen und zeitgerecht dem Konsulat vorgelegt werden. Das ist in vier Wochen (zu?) viel verlangt und hätte natürlich früher in Angriff genommen werden können, wenn nicht die Entscheidung, den Touristenvisums-Weg zu beschreiten, von den Partnern in Indien recht spät getroffen worden wäre.
Deshalb: weiterhin Unsicherheit, lästig und frustrierend vor allem auch für die Team-Mitglieder, die sich für einen Einsatz sehr viel organisatorische Umstände machen müssen im Sinne von Urlaubsplanung, Praxisschliessung, Kinderbetreuung etc..
Diese ausgiebige und weitschweifige, trotdem noch immer unvollständige Darstellung auch um zu demonstrieren, dass ein humanitärer Einsatz in einem Schwellenland (das sich selbst allerdings an anderer Stelle im Spektrum einordnen würde) nicht nur aus heroischen Operationen und glänzenden Kinderaugen besteht, sondern zuvor, während und danach auch aus sehr viel Papier, Telefonaten, Frustrationen und dem Gefühl, weder angemessen respektiert noch – ausgenommen unsere längst zu Freunden gewordenen langjährigen Gastgeber – übermässig willkommen zu sein. Noch vier Wochen.
So einfach ist das nicht
Die Vorbereitungen für den Herbst-Einsatz 2023 in Haridwar laufen weiter; als „Vorhut“ dient gewissermassen der April-Einsatz 2023 in Noida, der in der letzten Phase der Vorbereitung steht, aber nicht ohne Probleme (s. Hauptprojekte, Noida)
Ein überraschendes Weihnachtsgeschenk
Unter den verloren gegangenen Ausrüstungsgegenständen befanden sich auch zwei sog. „Bleihände“, nicht ganz billige Vorrichtungen zur sicheren Fixierung einer zu operierenden Hand während der Operation. Auf EFI´s formelle Anfrage bei der Haupt-Vertriebsfirma betreffend den Bestellweg hat uns der Geschäftsführer der Firma AMT Aromando Medizintechnik GmbH in Düsseldorf, Herr René Kleiner, spontan und am zweiten Weihnachtsfeiertag je eine Erwachsenen- und eine Kinderhand gespendet – herzlichen Dank dafür!
Die Bezeichnung „Bleihand“ rührt davon her, dass Blei wegen seiner Plastizität und seines Gewichts tatsächlich für die Herstellung solcher Gerätschaften verwendet wurde. Die inhalative Toxizität von Blei-Abrieb für die Nutzer stand damals noch nicht so sehr im Vordergrund (es ist noch nicht so lange her, dass Blei, lat. plumbum, für Trinkwasser-Rohre verwendet wurde – die englische Berufsbezeichnung „plumber“ weist darauf hin, und auch bleihaltiges Benzin ist in der EU erst seit ca. 20 Jahren verboten).
Mittlerweile stehen selbstverständlich für die Anwendung als „Bleihand“ andere Materialien mit ähnlichen Eigenschaften zur Verfügung, bleifrei, plastisch und sterilisierbar. Zwei solche Instrumente besitzt nun auch EFI wieder.
Ein „Kontroll-Einsatz“ im November 2022
Nach Vorbereitung mit den örtlichen Freunden in Haridwar (vor allem Rajiv Bhalla) und ebenso in Noida (dort mit Shashank Agarwal) flogen Dr. Gaby Fromberg aus Murnau, Ana Lázaro Martín aus Gleishorbach in der Pfalz, Jörg Dannheuser aus Ebersberg und Dr. Wolfgang Detterbeck Anfang November für nur einige Tage nach Indien (danke dass Ihr das auf Euch genommen habt), um nach der Situation vor Ort zu sehen, insbesondere nach Vorhandesein und Zustand der von EFI über die letzten 14 Jahre angeschafften und transportierten Materiallien und Ausrüstungsgegenstände. Der status quo Anfang 2020, als der geplante Einsatz in Noida Corronas wegen abgeblasen werden musste, war, dass die an beiden Orten abwechselnd von EFI-Teams genutzten Op-Instrumentarien und weiteres Material sich gerade auf dem Weg von Haridwar nach Noida oder gerade noch nicht befanden. Zusamengefasst konnten zwei wichtige und teure Sets (Dermatom zum Abtragen von Hauttransplantaten und Akku-Handsäge/-bohrer, zusammen im Wert von ca. € 30.000.-) gefunden werden, leider aber keines der Op-Instrumantarien. Einige andere Geräte (z.B. Medikamenenpumpen für die Anästhesie, Sauerstoffkonzentratoren, Zubehör zur Elektrochirurgie) fanden sich entweder nicht oder reparaturbedürftig.
Hier wird ein Kassensturz nötig sein, zumal grössere Spendensummen zuletzt in die Hilfe für die Ukraine geflossen sind und in den Jahren 2020, 21 und 22 fast 100.000.- Euro zur Unterstützung der Gesundheitsvor- und fürsorge der Waisenkinder in Haridwar eingesetzt wurden. EFI bedauert keinen Cent davon.
Eine vorübergehende Lösung wäre das Ausleihen des nötigen Instrumentariums bei anderen Interplast-Teams oder gegen Gebühr (und evtl. Kaufzusage) beim Instrumentenhersteller. Den dritten Weg, nämlich den etappenweisen Neukauf, hat Gaby Fromberg schon eingeleitet, indem sie zusammen mit Ana Lazaro auf dem indischen Markt einen kleinen Teil der Grundausstattung (Pinzetten, Nadelhalter, Scheren, Klemmen) zu ebenso kleinen Preisen gefunden, geprüft und gekauft hat.
Was an Instrumenten vorgefunden wurde, hat zusammen mit den vier Teammitgliedern die Rückreise nach Deutschland angetreten, ist gelandet und wird in den nächsten Wochen fachmännisch getestet und gegebenenfalls repariert werden. All das sind Aktivitäten, die neben Sachverstand und Organisationsfähigkeiten einfach auch Mühe und Zeit erfordern – ein Aspekt der humanitären Arbeit genau wie das Packen von Kartons und Kisten und das Schleppen von Material und das Telefonieren, der von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird; humanitär engagierte Ärzteteams sind dafür im Bewusstsein verankert, dass sie ununterbrochen Leben retten, das Unmögliche möglich machen und all das auch noch mit strahlendem Lächeln und perfekt frisiert.
Alle 2019 gelagerten Einmalartikel und Medikamente mussten natürlich entsorgt werden, der Folgeeinsatz in Noida (geplant und in grossen Teilen schon vorbereitet für Ostern 2023) wird auch davon abhängen, ob sich Ersatz in der entsprechenden Zeit beschaffen lässt. Auf dem Medizinproduktemarkt in Deutschland bestehen teils erhebliche Lieferschwierigkeiten, erhebliche Lieferfristen und durchaus sehenswerte Preissteigerungen. Wir tun unser Bestes.
Ein weiterer Weg führte Dr. Fromberg und Ana Lazaro in die Deutsche Botschaft in New Delhi, wo sie von langer Hand und mit zahllosen emails und Telefonaten (s.o.) einen Termin bei der Sachbearbeiterin „Internationale Zusammenarbeit etc.“ vereinbaren hatten können. Die deutsche Aussenministerin Frau Berbock befindet sich ja gerade heute in Delhi, um über Vereinfachungen im Arbeitsaustausch zwischen Indien und der BRD zu sprechen.
Anlass für die Terminanfrage war gewesen dass sich bei allen Teammitgliedern auch diesmal die Visum-Erteilung wieder kompliziert, aufwendig und unsicher gestaltete. Von verschiedenen Stellen (Botschaft, Visa-Stelle, Vermittlungsbüros) hatten wir wie schon vor 2020 verschiedene Auskünfte erhalten, die offiziellen Vorgaben des indischen Aussenministeriums wurden von dessen Aussenstellen entweder nicht gekannt oder ganz oder teilweise ignoriert – ein sehr frustrierender Ablauf. Wir hoffen, dass sich irgendwann eine Regelung finden lässt, die für alle Interplast-Mitglieder (Ana Lazaro hatte auch in ihrer Eigenschaft als Interplast-Vorstandsmitglied gesprochen) in allen Bundesländern einheitlich und verbindlich gilt – eine Art „Akkreditierung“, wie EFI sie für die Haupt-Einsatzländer schon seit Jahren immer wieder, aber bisher vergeblich gefordert hat. Vielleicht gibt es hier zumindest kleine Fortschritte, allerdings mahlen auch die diplomatischen Mühlen bekanntlich nicht besonders schnell.
Nach heutigem Stand, immer mit dem Vorbehalt, dass der Oster-Einsatz in Noida es für sinnvoll erachten lässt, soll der 12. EFI-Einsatz in Haridwar im November 2023 stattfinden; Team und Gastgeber sind an beiden Enden Eurasiens an der Arbeit und freuen sich darauf.
Vielleicht ein Einsatz in 2023?
Nach zwei Jahren Pause soll in Absprache mit den örtlichen Freunden bald wieder in Haridwar gearbeitet werden – die Tickets, die wir bereits für den routinemässigen Einsatz im Herbst 2020 gekauft hatten, konnten Jahr für Jahr verlängert werden und sind auch 2022 noch gültig (gegen mehrfache, nicht ganz geringe Gebühr. Ältere Interplast-Aktive wie ich erinnern sich an Zeiten, in denen die Luftfahrgesellschaften NGO´s die Tickets schenkten oder stark ermässigten oder zumindest das ganze Gepäck kostenlos transportierten).
In Haridwar wurde zu den Hochzeiten von Covid 19 „unser“ Mela Hospital bis in die letzte Kammer genutzt, entsprechende bauliche und organisatorische Änderungen werden gerade von den örtlichen Rotariern erkundet. Zudem hat sich die Führungsriege der örtlichen Gesundheitsbehörden verändert, so dass hier nicht mit reibungslosen Abläufen gerechnet werden darf – zunächst ist zu klären, ob in der derzeitigen Situation das Mela Hospital überhaupt, in welchem Umfang und zu welchen Bedingungen von uns genutzt werden kann. Auch hier ist wohl nach Corona nichts wie vor Corona – immer vorausgesetzt, die Pandemie neigt sich dem Ende zu, was wir alle hoffen, was aber durchaus nicht feststeht.
Nach längerer Diskussion betrachten wir es als den vernünftigsten Weg, zunächst die o.g. Dinge zu klären und im positiven Fall erst einmal vor Ort zu sichten, wie weit die nun doch seit drei Jahren in einem Keller in Haridwar lagernden, zum Teil doch recht empfindlichen Ausrüstungsgegenstände noch vorhanden und dann in gebrauchsfertigem Zustand sind. Während wir ohnehin nicht mehr mit den bevorrateten Verbrauchsmaterialien und Medikamenten rechnen, geht es in erster Linie um die chirurgische und anästhesiologische Ausrüstung, also Elektrochirurgie, Op-Leuchten, Op-Tische, Sauerstofkonzentratoren, Perfusoren, Monitoring und vor allem das chirurgische Instrumentarium von der Pinzette bis zur Akku-Knochensäge und zum Dermatom, alles Gerätschaften, die EFI im Laufe der Jahre für Zehntausende von Euro angeschafft und in Haridwar (sowie zuletzt auch in Noida) genutzt hat. Hier ist erst einmal zu klären, wie der Bestand ist und in welchem Zustand sich die noch vorhandene Ausrüstung befindet. Gegebenenfalls muss Ersatz beschafft oder repariert werden, eine Aufgabe, die – auch entsprechend unseren aktuellen Erfahrungen bei der Hilfe für die Ukraine – nicht in ein paar Tagen zu bewältigen ist, auch nicht, wenn genügend Geld in der Kasse sein sollte. Medizinische Geräte unterliegen derzeit genauso den Problemen durch die unterbrochenen Lieferketten wie jedes andere Gerät, Lieferfristen von einigen Monaten sind eher die Regel als die Ausnahme.
Um all das auf einen vernünftigen Weg zu bringen, werden zwei oder drei Teammitglieder im Herbst mit den Tickets von 2020 nach Haridwar reisen, die Situation prüfen und entscheiden, was an Ausrüstung eventuell repariert, was neu beschafft oder ergänzt werden muss und in welcher Reihenfolge. Erst danach und nach Kassensturz wird man sehen können, ob es aussichtsreich sein wird, im Frühjahr 2023 mit einem kompletten Team aufzubrechen und da weiter zu machen, wo uns Covid 19 drei Jahre zuvor gestoppt hat.
Kein 12. Einsatz 2021 – statt dessen Unterstützung für Waisenhaus und Schule (s. „Aktuelles“)
Kein 12. Einsatz 2020 – Corona hält uns (und viele Andere) zuhause
Nur neun Tage vor Abflug mussten wir den lange geplanten jährlichen Einsatz in Noida/Indien (s. Hauptprojekte) absagen. Die von den verschiedenen Ländern schon angeordneten, noch erwogenen oder erst allmählich auf den Bildschirm geratenden Massnahmen, die der weltweiten Ausbreitung des neuen Corona-Virus entgegen wirken sollen (was von vielen Fachleuten für illusorisch gehalten wird), würden gegebenenfalls zu erheblichen Eingriffen in die Lebenssituation unserer Teammitglieder führen.
Man muss sich vergegenwärtigen, dass sich alle Teilnehmer die zwei Einsatzwochen nicht nur aus ihrem eigenen Urlaubs- und Freizeit-„Budget“ schneiden, sondern dass privates (Partner, Familie, Freunde) und berufliches Umfeld (Gemeinschaftspraxis, Kollegenschaft in der Klinik etc.) meistens sehr eng mit eingebunden sind, und all das in der Regel ganz eng auf Kante genäht.
Kindergarten- und Schulschliessungen während des Einsatzzeitraums würden diese privaten Netzwerke, die ja auch für die kommenden Jahre bzw. für andere Projekte noch zur Verfügung stehen sollen, beispielsweise erheblich gefährden, ebenso eine allfällige Quarantäne bei Rückkehr, und sei diese nur angeordnet, weil sich im selben Flugzeug andere Passagiere mit Covid-19 Infektion oder mit Fieber aus anderen Gründen befunden haben.
Bei unserem multinationalen Team (vertreten genetisch oder administrativ Deutschland, Italien, Kroatien, Liechtenstein, Österreich, Schweiz, Vietnam) wäre also organisatorischen Komplikationen Tür und Tor geöffnet gewesen; beispielsweise nahm die Zurückweisung von Reisenden aus Italien – auch wenn es nur der Pass suggeriert – in den letzten Tage zu, erstmals wurden auch generell Reisende aus Deutschland von der Einreise ausgeschlossen.
Die im Vorfeld entstandenen Kosten (vor allem Tickets und Visa-Gebühren, zusammen um die € 8.000.-) müssen leider verloren gegeben werden, die routinemässig, wenn nicht privat vorhanden, von EFI abgeschlossenen Reiserücktrittversicherungen bieten in diesem Fall keinen Schutz. Beschafftes Material und Medikamente werden wir für andere Einsatzorte, z.B.Haridwar im Herbst oder Noida im nächsten Jahr, aufbewahren. Kosten, die unseren verständnisvollen Gastgebern bereits entstanden sind, z.B. Hotelbuchung, Op-Miete etc., werden hoffentlich wenigstens teilweise gemildert werden können.
Wir hoffen auf einen halbwegs ungestörten Ablauf des Noida-Einsatzes im nächsten Jahr!
11. Einsatz 2019 – die Geschichte geht weiter
Das Mela Hospital in Haridwar wacht langsam aus dem Dornröschenschlaf auf: beim Einsatz vom 9. bis 23. November 2019 konnten wir dank großzügigen Spendern von EFI wie von indischer Seite zwei neue indische OP-Tisch einweihen. Unsere Freunde vom Ranipur Rotary Club hatten wie immer die OP-Räume und die Stationen gesäubert und technisch überprüft und unseren Wünschen entsprechend sogar neue Regale installiert. Die in jedem Jahr zunehmenden bürokratischen Hürden konnten überwunden werden.
Abbildung 1: Rtn Rajiv Bhalla, Dr.W.Detterbeck und Klinikdirektor Dr. Rajesh Gupta freuen sich über die Spende der beiden neuen OP-Tische… in den Kisten war auch das Richtige drin… und wurde perfekt zusammengebaut!
Die Besetzung der beiden OP-Tische, des Verbandsraumes mit Narkosemöglichkeit, des Aufwachraumes und der Instrumentenaufbereitung wurde wieder komplett von unserer Mannschaft geleistet, bestehend aus: Ana Lázaro Martín, Andrea Orth, Thomas Hehr, Andrej Moskvin, Marcus Görisch, Wolfgang Detterbeck, Felix Detterbeck, Ute Gemming, Jörg Dannheuser, Matthias Gensior (dieser nach 10 Jahren „Abstinenz“ wieder einmal; er hatte die beiden ersten Einsätze 2008 und 2009 chirurgisch geleitet), Uli Viertler und Gaby Fromberg. Ein indischer Arzt, Dr. Niranjan Mohan, wurde uns gleich am Screening-Tag zur Seite gestellt. Dieser Kollege hat nach unserer Abreise zusammen mit den indischen OP-Pflegern und dem „harten Kern“ der Rotarier wochenlang fleissig und zuverlässig die noch erforderlichen Verbandswechsel / Metallentfernungen übernommen. Dank Internet konnten wir sozusagen beim Verbandswechsel durch Fotoübermittlung und WhatsApp-Beratung dabei sein.
Abbildung 2: a) Verbandsraum: v. li. nach re. W. Detterbeck, J. Dannheuser, Niranjan Mohan, U. Gemming
b) Dr. Niranjan Mohan bei der Arbeit in der Verbandssprechstunde nach unserer Abreise
Zahlreiche PatientInnen kamen zum wiederholten Mal für weitere Eingriffe. Überwiegend behandelten wir wieder frische und ältere Verbrennungsfolgen, aber auch chronische Wunden, bei denen wir mittlerweile wissen, dass auch nach unserer Abreise für diese Patienten gesorgt wird. Ein Patient mit Elefantiasis, den wir vor ein paar Jahren von seinem „Fußball“ am Fussrücken befreien konnten, kommt inzwischen jährlich zur Verlaufskontrolle und bittet um einen neuen Kompressionsstrumpf – er zeigte uns erneut stolz geschlossene Wundverhältnisse und einen Kompressionsstrumpf, der gut gepflegt wurde trotz Dauereinsatz, aber mittlerweile doch einige Löcher aufwies. Wir konnten seinen Wunsch erfüllen, denn mittlerweile ist ein indischer Fachmann für Kompressionswäsche als Teil unseres Teams am ersten Screening-Tag dabei bzw. abrufbar, wenn wir ihn in der Folge brauchen.
Abbildung 3:Jedes Jahr neuer Kompressionstrumpf, prä-op 2016 (oben) und 2019
Abb.4: Munni ist kräftig gewachsen, macht in der Schule Fortschritte und bekam wieder Korrektur-Operationen, um die Basis-Greiffunktion ihrer Hände nach Verlust sämtlicher Finger beidseits auch im Wachstum zu erhalten oder sogar noch zu verbessern.
2015 – 2019 – 2019
Abb. 5: Anupa, jetzt 25 Jahre alt, kommt seit 2015 jedes Jahr für weitere Eingriffe, da die Narben und Transplantate nach Säureattacke immer noch schrumpfen. Ihre berufliche Entwicklung und soziale Intergration macht Fortschritte.
Die aktive Mitarbeit der Rotarierfamilien war wieder vorbildlich: Besonders erfreulich war das Engagement von einigen Teenagern, die sozusagen über die Jahre in diese Art von humanitärer Hilfe für ihre Mitmenschen hineingewachsen sind.
Im Vorfeld des Camps wurde die telefonische Beratung / Helpline mehr als 500 Mal in Anspruch genommen. Mehr als 250 Patienten wurden während unseres Aufenthalts untersucht und beraten – davon operierten wir 77 Patienten, manche davon mehrfach, und führten mehr als 209 Eingriffe durch.
Abbildung 6: Dank von Chef-Chirurgin Dr. Gaby Fromberg an den Klinikleiter Dr. Rajesh Gupta für das Vertrauen und die Unterstützung beim MCI
Auch wenn das Mela-Hospital sich langsam „aufrüstet“ für das riesigste religiöse Fest der Welt (Kumbh- Mela 2021) werden wir auch 2020 zum nächsten gemeinsamen Camp erwartet – dies bestätigten auch die dann zuständigen politischen Verantwortungsträger, bei unserem Abschlußreport 2019.
Die Finanzierung erfolgte wie in den Vorjahren komplett durch EFI. Vielen Dank an alle direkt und indirekt Beteiligten, vor allem Ana Lazaro Martín, Dr. Gaby Fromberg und Dr. Wolfgang Detterbeck, die das grosse Team wieder einmal motiviert und durch alle Klippen geführt haben!
10. Interplast-Einsatz 2018 – Ein Jubiläum!
Das erste, schon damals vielversprechende Interplast-Camp in Haridwar hatte EFI e.V. im Jahre 2008 auf die Beine gestellt – der Bericht ganz am Anfang dieser Seite war knapp, aber schon mehr als zuversichtlich.
Dass sich ein langjähriges Projekt mit immer wieder verbesserten Abläufen, Modellen für andere Camps und vor allem mit echten Freundschaften zwischen den dortigen Rotariern und den Interplast-Gästen, aber auch innerhalb der wechselnden Teams entwickeln würde, war noch nicht abzusehen. „Zwischen indischen Gastgebern und deutschen Gästen“ wollte ich schreiben, aber unter den Gästen, die über die Jahre an den Teams mitwirkten, waren oder sind inzwischen auch Medizin-Profis aus Spanien, Österreich, Italien und Indien selbst. Mit dem Projekt in Noida zeichnet sich ab, dass ein weiterer Einsatzort nach Haridwar-Muster entsteht, auf welche Dauer lässt sich nicht vorhersagen, aber immerhin in wenigen Wochen schon zum dritten Mal und ebenfalls mit guter Perspektive.
Die Liste der Team-Mitglieder bei den zehn Einsätzen ist gleichzeitig lang und kurz (elf Jahre 2008 bis 2018: 2013 wurde der Einsatz kurzfristig abgesagt, weil der Norden Indiens von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht worden war; nicht nur war auch die am Ganges gelegene Stadt Haridwar selbst schwer betroffen. Vielmehr war alle Kraft der Rotarier und anderer humanitärer Vereinigungen in der Region mit der Verhinderung weiterer Schäden und der Milderung der Folgen schon entstandener Schäden absorbiert, die langfristigen Rettungsmassnahmen wie Bau von Wohnraum, von Schulen und lebenswichtiger Substruktur laufen noch immer. Allergrößten Respekt vor der menschlichen Größe, dem Einsatzwillen und der Effizienz unserer Haridwarer Freundinnen und Freunde, die, wenn es wirklich brennt, nicht nach dem Staat oder sonst irgend jemand rufen, sondern ihre Kompetenz, ihren guten Willen, ihre verzweigten Netzwerke und nicht ganz wenig von ihrem eigenen Geld in die Hand nehmen, um anzupacken und da zu helfen, wo es gerade am nötigsten ist).
Diese Liste umfasst insgesamt 38 Personen, 17 davon ChrirugInnen, 6 Anästhesie-ÄrztInnen, 6 Op-Schwestern/Pfleger und ebensoviele Anästhesie-Schwestern. Die außerordentliche Konstanz (7 der Teilnehmer waren sechsmal und öfter mit dabei) spricht für ein besonders stabiles Team, was sich vor allem auch in dem geringen Wechsel in der Teamleitung ausdrückt (8x Frau Dr. Fromberg – Chirurgie, 6x Hajo Schneck, 8x Dr. Detterbeck – Anästhesie). Dasselbe gilt für die Op-Pflege, die mit nur einer Ausnahme seit 2008 von nur vier Schwestern/Pflegern bestritten wird. Solche Zahlen hat kaum ein anderes Projekt aufzuweisen.
Natürlich haben auch die Gastgeber einen ganz hohen Anteil an dieser Stabilität. Vom ersten Jahr an haben sie nicht nur für alle von uns gewünschten medizinischen Vorbereitungen gesorgt, sondern statt diese Vorgaben zu befolgen, praktisch jedes Jahr Verbesserungen überlegt, abgesprochen und umgesetzt, die wir uns niemals erhofft hätten (wenn wir daran gedacht hätten). So gibt es mittlerweile ein gut funktionierendes Wiederbestell-System, das es uns ermöglicht, Patienten aus den Vorjahren zu weiteren Eingriffen wieder zu sehen, die langfristigen Ergebnisse zu beobachten und zu beurteilen und daraus prinzipielle Schlüsse zu ziehen. Beispielsweise betreiben die Gastgeber eine „Telefon-Hotline“, über die sich ehemalige PatientInnen melden oder neue zur Vorstellung anmelden können. Patienten, die beim jährlichen Patientescreening als behandlungsbedürftig, aber entweder nicht akut oder aktuell nicht mehr im Op-Programm unterzubringen deklariert wurden, erhalten bevorzugte „slots“ auf der Planungsliste für das Folgejahr etc. – jeder einzelne Schritt einfach, aber mit großem Aufwand verbunden und nur denkbar, wenn die Beteiligten es mit ihrem Bemühen um optimale Nutzung der von uns zur Verfügung gestellten Expertise, Zeit und Arbeitskraft ernst meinen. An keinem anderen meiner bisherigen gut 20 Einsatzorte habe ich derartiges erlebt.
Auch die „kleinen“ Dinge imponieren und machen nachdenklich. Kann sich jemand vorstellen, dass der Vorstandschef und Eigentümer eines DAX-Konzerns im Zusammenhang mit seiner Mitgliedschaft in einem humanitären Verein wie den Rotariern zwei Wochen lang täglich um 7:00 morgens persönlich Gebäck zum Frühstück und aktuelle Tageszeitungen einkauft, sie in ein Hotel bringt und dort zusammen mit einem NGO-Team aus dem fernen Ausland frühstückt, die Tagespolitik und Persönliches diskutiert und nach Verbesserungsvorschlägen, möglichen Hilfestellungen und den Wünschen zum Abendessen fragt, bevor er das Team mit seinem Privat-PKW in die Klinik bringt? Das erleben wir in Haridwar in der Person eines CEO´s einer Firma mit mehr als 10.000 Angestellten und einem schwindelerregenden Jahresumsatz jedes Jahr, danke, lieber Rajat und Du musst Dich nicht entschuldigen, wenn es einmal eine Tag nicht klappt. Eine entsprechend aufgestellte Persönlichkeit in Deutschland würde mit Sicherheit im günstigsten Fall den Chauffeur beauftragen, einmalig zum Fototermin mit der Presse posieren und all das als „commitment“ bezeichnen. Gerne lasse ich mich mit gegenteiligen Beispielen überzeugen, dass ich mich täusche.
Den 10. Einsatz in der ersten Novemberhälfte bestritt unter Leitung von Frau Dr. Gaby Fromberg, Murnau (Plast. Chirurgie) und Dr. Wolfgang Detterbeck, Breitbrunn (Anästhesie) ein zehnköpfiges Team, darunter wiederum nur ein „Novize“!
Anlass für diese Umstände war zunächst, dass andere Interplast-Teams wegen Bemängelung der seit fast 30 Jahren immer gleich vorgelegten Visa bzw. schwer zu erklärender Diskrepanz zwischen Einreisegrund und Kofferinhalt teils unmittelbar wieder den Rückflug antreten mussten oder vor Ort mit erheblichem, den Camp-Ablauf stark einschränkendem Aufwand mit der örtlichen Polizei zu tun bekommen hatten. Der dahinter liegende Grund könnte eine politisch gewollte Erschwerung der Arbeit ausländischer NGO´s sein, sei es aus Stolz („wir sind doch kein Dritte-Welt-Land“ etc.), sei es im Rahmen der unter der neuen BJP-Regierung Narendra Modi hinduistisch-nationalistisch gewordenen Gesamtpolitik.
Sobald diese Hürden also überwunden waren (die Geduld und Zähigkeit vor allem von Drs. Fromberg und Detterbeck, die das Gros der Probleme angenommen und gelöst haben, war bewundernswert – danke dafür, das ist nicht selbstverständlich), konnte das zehnköpfige Team reibungslos einreisen und in schon gewohnter Manier neben den Jubiläumsfestlichkeiten das Op-Camp mit erstaunlichen 173 Eingriffen ohne jede Komplikation durchführen. Das Operationsspektrum war dasselbe wie seit Jahren, Verbrennungsfolgen und Fehlbildungen; die alljährliche Anwesenheit des Teams am oberen Ganges ist mittlerweile weithin bekannt und die Anmeldungen beim Rotary-Team übersteigen nun jedes Jahr die Kapazitäten, zumal Zweiteingriffe und bei der Vorstellung auf das Folgejahr vertröstete PatientInnen regelmässig bereits die halbe Op-Liste füllen, noch vor der erste Neu-Patient untersucht worden ist.
Haridwar bleibt also ein stabiler Einsatzort, und ich glaube mit Recht sagen zu können, dass es sich zu einem Modell für langfristig angelegte humanitäre Hilfe entwickelt hat – für uns selbst (s. Noida-Projekt), aber auch für andere Teams. Danke allen langjährigen SpenderInnen und natürlich allen Aktiven!
9. Interplast-Einsatz 2017
Mit wieder über 200 Operationen und fast 300 untersuchten PatientInnen (darunter, und das ist immer eine besonders befriedigende Situation, etwa ein Dutzend in den Vorjahren Behandelte mit Familienmitgliedern oder Freunden, um auch ihnen einen Eingriff zu ermöglichen) war der neunte Einsatz in Haridwar ein ebenso großer Erfolg wie ausnahmslos alle vorangegangenen. Viele der Untersuchten – dank der mittlerweile wirklich großen Expertise der Rotarier, die das ganze Jahr über die „Interplast helpline“ betreuen und sich regelmäßig mit mehr als 500 Anrufern auseinandersetzen, stellen sich praktisch nur noch operationswürdige Patienten vor – wurden mangels weiterer Kapazitäten direkt für nächstes Jahr gelistet. Vielleicht ergibt sich mit dem Projekt in Noida, welches sich zu etablieren scheint, eine gute Möglichkeit, die Wartezeiten für dringende Eingriffe zu halbieren. Zwei Beispiele aus der Arbeit dieses Jahres:
Munni zu erleben, erfreut das Team jedes Jahr aufs Neue. Das Mädchen mit den zu Klumpen verbrannten Händen, das wir bereits im dritten Jahr in Folge operieren, konnte dieses Jahr problemlos mit einem Kugelschreiber malen und mit der anderen Hand zügig Gummibärchen aufheben und zum Mund führen. Daran wäre vor 3 Jahren nicht zu denken gewesen. Wachstums- und kontrakturbedingt waren bei ihr weitere Korrekturen an Händen und Auge erforderlich. Auch im nächsten Jahr werden wir sie hoffentlich wiedersehen und ihr ein Stück weiter in ein einfacheres Leben helfen können.
Das Team bestand mit Ausnahme von Sabine Salomon aus Murnau, die erstmal mit von der Partie war und sich mit organisatorischen Dingen und der Dokumentation befasste, Andrea Orth aus dem Mannheimer Raum (Op-Schwester) und dem Plastischen Chirurgen Marc Englbrecht von der Uni München aus lauter „alten Hasen“, Gaby Fromberg, Wolfgang Detterbeck und Ana Lázaro Martín mit Brigitte Zeller, Jörg Dannheuser, Andreas Donhauser, Thomas Hehr und Andrej Moskvin. Nächstes Jahr ist 10jähriges Jubiläum in Haridwar, die Vorbereitungen laufen
8. Interplast-Einsatz 2016
Es gibt nichts wirklich prinzipiell Neues zu sagen über den jährlichen Haridwar-Einsatz, und das ist sehr gut so – Vorbereitung und Abwicklung sind nach Ansicht aller Beteiligten sehr nahe an der Obergrenze des Möglichen, obwohl die Freunde aus dem Rotary-Club Ranipur-Haridwar Jahr für Jahr schwören, sie würden die Abläufe für das Folgejahr verbessern. Und Jahr für Jahr fällt es schwer sich auszudenken, was sie meinen von ihrer Seite noch verbessern zu können.
Die Ausstattung des Operationssaales hat sich durch den Kauf von zwei Op-Leuchten (s. „Aktuelles“) weiter verbessert, aus Mitteln örtlicher Sponsoren wurde die Klimaanlage modernisiert, ein Teil der Ausrüstung, die wir bisher jedes Jahr mit auf die Reise genommen und wieder zurück transportiert hatten, bleibt jetzt vor Ort. Ana Lazaro Martín hat mit viel Aufwand Bezugsquellen für Verbrauchsmaterial, Desinfektionslösungen u.s.w. vor Ort ausfindig gemacht und Kontakt gehalten – die Abdeckung des Bedarfs wird jedes Jahr einfacher und besser. Mit einer örtlichen Apotheke bestehen mittlerweile ebenfalls enge Kontakte, so dass ein wichtiger Teil der benötigten Medikamente nicht mehr durch den Zoll geschafft werden muss, sondern vor Ort bestellt und angeliefert wird. Die Qualität ist gut; es ist ja nicht so, dass Indien ein pharmazeutische Wüste wäre – etwa 80 % der in Deutschland vertriebenen Generika (Wirkstoff-identische Medikamente, z.B. Acretylsalicylat = ASS statt Aspirin©) wird in Indien hergestellt und weltweit exportiert.
Allerdings wäre in diesem Jahr gute Gelegenheit gewesen, sensible Dinge ins Land zu bringen: bei Ankunft am Flughafen stellte sich heraus, dass die Zollverwaltung Stunden vorher in Streik getreten war – ohne Ankündigung, genau wie die während unseres Aufenthalts ganz unangekündigte Maßnahme, einen guten Teil der kursierenden Geldscheine für ungültig zu erklären. Diese der Bekämpfung der Korruption dienende Maßnahme brachte unsere Gastgeber in nicht unerhebliche Schwierigkeiten, da viele Artikel in Indien ausschliesslich gegen Barzahlung abgegeben werden und die Banken natürlich nicht mit der entsprechenden Menge neuer Banknoten (und der Kapazität an Schaltern und ATM´s) dienen konnten. Auch diese Klippe wurde mit viel Engagement gemeistert, spielte aber ein paar Wochen später bei einem grossen Fest in Delhi noch immer eine Rolle:
Sunali, die Tochter eines der engagiertesten und ganz anfangs für die Entstehung des Projektes verantwortlichen Gastgebers, Sanjeev Mehta, heiratete in einer mehrtägigen Festivität mit Hunderten von Gästen. Zu dieser Hochzeit war das EFI-Team eingeladen und vier von uns nahmen auch wirklich Teil. Sunali hatte von Beginn an schon als junges Mädchen viel Kraft und Zeit mit unseren Einsätzen verbracht, als Dolmetscherin, als Organisatorin und immer mehr auch als Freundin. Wir wünschen ihr von Herzen alles Gute!
Auch heuer konnten über 70 PatientInnen operiert werden!
7. Interplast-Einsatz Oktober 2015
Noch so frühzeitige Planung schützt nicht vor Schwierigkeiten – dieses Mal brachte ein Verkehrsunfall, den Dr. Detterbeck im Spätsommer erlitten hatte, akuten Umplanungsbedarf. Operationen, Heilung und Nachbehandlung zahlreichen Brüche, die er sich zugezogen hatte, ließen lange eine gewisse Hoffnung, dass er in gewohnter Weise das Team würde mit anführen können. In der Endphase, in der er die Anästhesie-Vorbereitungen bezüglich Ausrüstung, Bestellungen etc. nicht aus der Hand gab (es funktionierte allerdings auch nur eine Hand richtig), zeigte sich jedoch eine bis dahin übersehene weitere Verletzung, und damit war die Entscheidung nicht mehr zu umgehen: Dr. Gaby Fromberg musste die Pflichten der Gesamt-Teamleitung, namentlich der Außenvertretung vor Ort, diesmal alleine schultern (was sie mit eigentlich nie bezweifelter Souveränität tat), Andrej Moskvin übernahm ohne zu zögern die Verantwortung für die mit zwei Hardiwar-Neulingen anders, aber alles andere als inkompetent besetzte „Anästhesie-Abteilung“, und das Pflege-Trio Ana, Christiane und Thomas trugen das Ihre zum Teamzusammenhalt bei. Inzwischen hat sich Dr. Wolfgang Detterbeck weitgehend erholt, er selbst (und auch sonst niemand) zweifelt daran, dass er nächstes Jahr wieder „voll dabei“ sein wird.
Neu waren diesmal aber nicht nur eine Chirurgin und zwei AnästhesistInnen, sondern auch Dr. Nitu Rasaily, eine in Nordindien geborene, in Murnau lebende und arbeitende Chirurgin, die sich bereit erklärt hatte, einige Tage vor Einsatzende nach Haridwar zu reisen, um die operierten Patenten zu übernehemn und für eine weitere Woche zu betreuen. Fast schon wie eine Fügung kam es uns dabei vor, dass nicht nur sie selbst, sondern auch ihre in New Delhi lebende Schwester, die darüber hinaus von Beruf Op-Schwester ist, mit von der Partie sein wollte. Möglicherweise hat sich damit nun für einige Einsätze das immer wieder im Hintergrund lauernde Problem der kompetenten Nachsorge vor Ort lösen lassen – wir werden sehen.
Damit bestand das Team heuer aus
- Christiane Bayer aus Steinheim/Pfalz, Op-Schwester (7. Einsatz dort)
- Dr. Gaby Fromberg, Plastische Chirurgin aus Murnau (5. Mal)
- Dr. Birgitta Klaiber, Anästhesistin aus Grafing (1. Mal in Haridwar, mehrere humanitäre Einsätze in Afrika)
- Ana Maria Lázaro Martín, Op-Schwester aus Gleishorbach/Pfalz 6. Einsatz dort)
- Dr. Neetu Rasaily, Chirurgin aus Murnau (Nachsorge, 1. Einsatz)
- Neelam Rasaily, Op-Schwester aus New Delhi (1. Mal)
- Dr. Tanja Wachter, Plastische Chirurgin aus Innsbruck (zum ersten Mal dabei)
- Dr. Moritz Brill, Plastischer Chirurg aus Leipzig (2. Einsatz)
- Dr. Andreas Donhauser, Anästhesist aus Rosenheim (zum ersten Mal in Haridwar)
- Thomas Hehr, Pfleger aus der Pfalz (wie Ana schon zum 6. Mal dabei)
- Andrej Moskvin, Anästhesist aus Ebersberg (als „Ober-Anästhesist“, zum 4. Mal), und
- von zuhause aus Prof.Dr. Hajo Schneck, Anästhesist aus Traxl.
Trotz nicht ganz geringer zahlenmäßiger Stärke gelang es auch heuer wieder, natürlich dank der Gastfreundschaft des Rotary-Club Haridwar, der Kulanz der Fluggesellschaft und der Marien-Apotheke Prien (danke, Herr Dr. Reuther), die Gesamtkosten in der Grössenordnung von € 15.000.- zu halten. Viele der Teammitglieder hatten ausserdem im privaten und beruflichen Umfeld nicht ganz wenige Spenden eingeworben, eine grössere Spende, die für einen heuer nicht zustande kommenden anderen Einsatz in Nordindien reserviert gewesen war, wurde von den Spendern auf den Haridwar-Einsatz umgewidmet.
Die jährliche ärztliche Versorgung durch unser Team hat sich nun im 7. Jahr erfreulich etabliert; Ärzte und Patienten in der Gegend nehmen die von den unermüdlichen und unglaublich gut organisierten Freunden vom Rotary-Club und ihren Familien angebotenen Kommunikationswege wahr (z.B. eine ganzjährige speziell reservierte Handy-Nummer, Nachsorge- und Wiedervorstellungslisten). Diese Gruppe von sozial engagierten und kompetenten Menschen macht unsere fachliche Hilfe für ihre Landsleute möglich, ohne sie wären wir hilflos oder zumindest wenig koordiniert und daher wenig effizient.
Auch heuer wieder stellten sich mehr als 200 Patientinnen und Patienten vor, etwa 80 davon konnten im zweiwöchigen Op-Programm untergebracht und operiert werden (auch wenn es gelegentlich bis tief in die Nacht hinein ging). Nur als Beispiel für die Ernsthaftigkeit der Krankheitsbilder das Foto eines vor Jahren von einer Verbrennung betroffenen und seither nicht behandelten Jungen:
Es ist leicht vorzustellen, wie sehr die nahezu vollständige Bewegungseinschränkung in allen Gelenken des rechten Armes, von der Schulter bis hinab zu den Fingern, das Leben eines Kindes und seine persönlichen und berufichen Entwicklungsmöglichkeiten beeinträchtigt. Die Befreiung des Armes aus dieser Umklammerung wird einen sehr, sehr grossen Unterschied für den Jungen machen, wenn er auch wohl nicht alle bisher entstandenen Defizite wird aufholen können.
Wir sind gespannt, ihn im nächsten Jahr wieder zu sehen und ihn zu fragen, ob ein Teil dessen, was er sich erhofft hat, eingetroffen ist.
Schon wenige Stunden nach Rückkehr des Hauptteams haben sich die ersten MitfahrerInnen für den Einsatz 2016 gemeldet – und die Freunde in Haridwar mit Rücksicht auf die alljährlichen religiösen Feiertage einen Termin im Oktober vorgeschlagen. Bald werden wir die Planung für Haridwar die Achte aufnehmen.
6. Interplast-Einsatz 2014 – das nächste Team macht sich auf den Weg
Das große hinduistische Fest Diwali, das Lichterfest, entspricht in vielerlei Hinsicht dem christlichen Weihnachten. Da es an den Neumond gebunden ist ähnlich wie das christliche Osterfest, hat es keinen festen Termin – heuer liegt Divali besonders früh, so dass der Interplast-Einsatz 2014 ein paar Tage später beginnen wird als üblich. Uttarkandh blieb, wie alle west- und nordindischen Gebiete, vom Hurrikan „Hudhud“ verschont, der Mitte Oktober über die Ostküste hereingebrochen war, Dutzende Todesopfer gefordert hatte und fast eine Million Menschen obdachlos gemacht hatte.
Das elfköpfige Team, diesmal wegen der bereits angemeldeten zahlreichen Hand-Verbrennungen verstärkt um eine Physiotherapeutin, wird sich am 26.10.2014 auf den Weg machen, um den 6. Haridwar-Einsatz in Angriff zu nehmen.
Und schon (12. November 14) ist das Team wieder zurück – erfolgreich, das lässt sich ohne Übertreibung sagen, wie immer. Aus familiären Gründen konnten einige der „üblichen Verdächtigen“ diesmal nicht mit dabei sein, dennoch war der Kern des Teams direkt mit von der Partie oder von zuhause aus mit aktiv. Unter der Leitung von Dr. Gaby Fromberg und Dr. Wolfgang Detterbeck versorgten Christiane Bayer, Dr. Lars Berbig und Simone Visintin (alle Op-Pflege), Andrej Moskvin und Brigitte Zeller (Anästh.-Arzt, -Sr.), Gabriele Gross-D. (Physiotherapie), Dr. Martin Hofmeister und Moritz Brill (Chir.-Ärzte) mit Unterstützung von Felix Detterbeck (Dokumentation, „Mädchen“ für alles) an den diesmal nur acht Op-Tagen dank reibungsloser Vorbereitung und tatkräftiger Unterstützung durch die Mitglieder der örtlichen Rotary-Clubs wieder knapp 90 PatientInnen mit den typischen Operations-Indikationen Fehlbildung, Verbrennungsfolgen, Funktionsstörungen der Hände.
Ein Traumatologe, der im örtlichen Kommunal-Krankenhaus als Belegarzt tätig ist, übernahm die Nachsorge, Komplikationen ernsthafter Art sind nicht aufgetreten.
Neben den guten medizinischen Ergebnissen sei auch wieder einmal eine kurze Rechnung aufgestellt. Die Gesamtausgaben beliefen sich für den diesjährigen Einsatz auf € 16.500.- (etwas mehr als üblich: das Team umfasste zwei Personen mehr als 2012, wegen des Flut-bedingten Intervalls von zwei Jahren mussten nicht wenige Medikamente und Materialien, die in Hardiwar verblieben waren, wegen Verfall oder unsicherer Lagerung verworfen und unter gewissen Übergepäck-Kosten erneut importiert werden). Das bedeutet bei einer Patientenzahl von 90 dennoch lediglich ca. 185 Euro pro Patient, ein Betrag, für den in Deutschland eine Packung Tabletten, ein etwas gehobeneres Abendessen oder ein bis zwei Konzertkarten zu erhalten sind – das Geld ist gut angelegt, glaube ich. Allen Teammitgliedern und besonders den beiden LeiterInnen ein herzliches Dankeschön von EFI, genauso wie allen unseren Spendern!
2013 – andere Prioritäten nach verheerender Monsun-Katastrophe
Der schon gewohnte Interplast-Einsatz in Haridwar, der 6. in Folge wäre es geworden, findet in diesem Jahr nicht statt. Die Planung, die wegen eines Umbaus im von uns genutzten Krankenhaus ohnehin schon schwierig begonnen hatte, wurde nun endgültig aufgegeben. Grund hierfür sind verheerende Überschwemmungen im Zuge des heuer sehr früh und extrem stark einsetzenden Monsuns an der Südseite des Himalaya. Hauptsächlich betroffen sind die Bundesstaaten Uttarakhand und – nordwestlich davon – Himachal Pradesh, die den Oberlauf des Ganges bzw. des Indus beherbergen.
Etwa zur gleichen Zeit, in der auch in Europa durch starke Regenfälle sog. „Jahrhundertfluten“ ausgelöst wurden, kam es Mitte Juni 2013 zu Überflutungen in der Gegend von Haridwar und Ganges-aufwärts, bei denen Hunderttausende obdachlos wurden und ihr Hab und Gut verloren, Zehntausende verletzt worden sind und eine noch nicht bekannte Zahl von Menschen ums Leben kam; derzeit werden alleine im Bundesstaat Uttarakhand einige Tausend Menschen vermisst.
Der Rotary Club von Haridwar, der seit 2008 unser Partner bei den Einsätzen mit Interplast-Teams ist, hat umgehend in Zusammenarbeit mit den Rotariern des gesamten Staates eine Hilfsstruktur geschaffen, die sich bereits jetzt, wo Armee und Luftwaffen noch mit der Rettung von Verletzten und der Bergung von Todesopfern befasst sind, den Wiederaufbau tragfähiger Strukturen in den am stärksten betroffenen Gebiete plant. Dabei geht es neben rein baulichen Massnahmen auch um die Wiederherstellung eines Gesundheits- und Bildungswesens. An dieser Stelle will EFI die Massnahmen der Rotarier unterstützen, die sich in den ganzen Jahren nicht nur als zuverlässige Partner und Freunde, sondern gerade auch als effiziente Organisatoren erwiesen haben. Nach den Erfahrungen aus Haiti mit dem weitgehend unorganisierten, teils sehr chaotischen und letztlich kontraproduktiven „Aufmarsch“ von Helfern und Hilfsorganisationen mit bester Absicht, aber wenig konkretem Plan halten wir die Unterstützung von Organisationen, die vor Ort exzellent vernetzt sind und die Gegebenheiten weitaus besser kennen als UNICEF, WHO, MSF oder wer immer, für die am besten geeignete Vorgehensweise.
EFI hat deshalb die für den geplanten, nun aber abgesagten Einsatz im Herbst 2013 bereits gesammelten Mittel aufgerundet und wird dem Rotary Club Haridwar, der federführend an der Hilfsplanung beteiligt ist, den Betrag von 1.000.000 IndRupies entsprechend ca. € 14.000.- zur Verfügung stellen mit der Auflage, diesen Betrag kurz- oder mittelfristig für die Wiederherstellung und Verbesserung der medizinischen Möglichkeiten im Katastrophengebiet einzusetzen.
5. Interplast-Einsatz im Oktober 2012
Und schon wieder war ganz rasch ein Jahr vorbei gegangen, das für alle Teilnehmer mit vielen anderen wichtigen Dingen angefüllt war, Privatem, Beruflichem, und dennoch hatten wir alle das Gefühl, auf diesen Einsatz hin gefiebert zu haben.
Umfeld und Personen vor Ort am Ganges waren weitgehend dieselben, der Reiseablauf schon Routine – trotzdem hatten die Freunde in Haridwar ihr Versprechen, weiter an der Perfektionierung zu arbeiten, wahr gemacht. Rima Bhalla, die Frau des Haupt-Organisators Rajiv, hatte bereits im Sommer mit der Patientenakquise begonnen und dazu ein eigenes Mobil-Telefon besorgt und eingerichtet, über das ausschliesslich Telefonate im Zusammenhang mit dem Camp abgewickelt wurden.
Dazu hatte sie von den 50 im letzten Jahr auf die „Warteliste“ gesetzten PatientInnen (für die wir 2011 keine Op-Zeit mehr hatten finden können) 38 erreicht und einbestellt (36 davon haben wir dann auch behandelt und dafür eine etwa ebenso lange Liste für 2013 zurück gelassen); ferner etwa 10 im letzten Jahr endgültig operierte PatientInnen aufgespürt, die sich bereitwilligst einfach zum Nachschauen (für uns eine wichtige Qualitätskontrolle) und ein bisschen Reden und Lachen einfanden.
Auch die administrativen Abläufe hatten die damit befassten Rotarierinnen nochmals verbessert; anders wäre es nicht möglich gewesen, ohne jede Verwechslung, mit leicht erträglichem Lärm und in nur sieben Stunden an zwei praktisch eingerichteten Untersuchungsplätzen schon am ersten Tag 180 PatientInnen anzusehen, etwa ein Drittel davon auszuwählen, zu dokumentieren und parallel dazu bereits einen recht genauen Op-Plan für die folgenden zwei Wochen festzulegen (an den folgenden Tagen haben wir neben dem laufenden Op-Betrieb weitere 140 PatientInnen untersucht und beraten, zusammen weit über 300).
Neu von unserer Seite war, dass wir erstmals versuchten, das Fehlen ärztlicher Nachbetreuung nach Abreise in diesem „schlafenden“ Krankenhaus dadurch zu kompensieren, dass eine Kollegin aus unserem Team gut eine Woche länger blieb (und dafür erst kurz vor Ende des Op-Betriebs anreiste). Somit bestand das Team diesmal aus 10 Personen, und zwar
- Christiane Bayer aus Steinheim/Pfalz, Op-Schwester (4. Einsatz dort)
- Dr. Bärbel Fuchs, Anästhesistin aus Wasserburg am Inn (3. Mal)
- Dr. Gaby Fromberg, Plastische Chirurgin aus Murnau (3. Mal)
- Ana Maria Lázaro Martín, Op-Schwester aus Gleishorbach/Pfalz (5. Einsatz dort)
- Dr. Irini Panteli, Plastische Chirurgin aus Hamburg (zum ersten Mal dabei)
- Dr. Silke Platte aus Neuental/Hessen, Praktische Ärztin (zum ersten Mal dabei, Nachsorge)
- Dr. Matthias Biemer, Plastischer Chirurg ebenfalls aus Murnau (erstmals)
- Thomas Hehr, Pfleger aus der Pfalz (wie Ana schon zum 5. Mal dabei, also jedes Mal)
- Andrej Moskvin, Anästhesist aus Ebersberg (wie im letzten Jahr), und
- Prof.Dr. Hajo Schneck, Anästhesist aus Traxl und Teamleiter.
Ausserdem konnten wir dank einigen speziell für Haridwar eingetroffenen Spenden uns auch apparativ verbessern; so habe wir jetzt einen eigenen sog. „Elektrokauter“, also ein Gerät für elektrisches Schneiden und Blutstillung, zurück gelassen, dazu zwei Spritzenpumpen und einige weitere nicht ganz billige Gerätschaften. Das wird die Gepäcksituation bei den nächsten Einsätzen – und dass es noch mehrere solche geben wird, davon gehen wir alle aus – merklich entlasten.
Was haben wir also diesmal geleistet? Knapp 125 Operationen bei gut 85 PatientInnen, wie immer überwiegend Kinder und weibliche Patientinnen, mit den Schwerpunkten Verbrennungschirurgie an Händen, Armen und Stamm, dazu Fehlbildungen und oberflächliche Tumoren. Erfreulich und uns allen ein Anliegen, dass wir die Ausgaben aus Spendengeldern auf ca. € 110.- pro Eingriff noch weiter senken konnten – ein Betrag, für den es in München kaum mehr zwei Konzertkarten oder zwei Tankfüllungen gibt.
Für nächstes Jahr sind wir von den Rotariern und von den politisch Verantwortlichen (wir hatten u.a. Besuch vom Gesundheitsminister und zuvor schon von seinem Staatssekretär) herzlich eingeladen, ein weiteres Camp zu veranstalten, und weitere Optimierungen in Ablauf und Umfeld sind angekündigt – ich wüsste nicht, wo noch Luft nach oben wäre. Und bereits auf der Abschlussveranstaltung wurden von örtlichen Industriellen und Geschäftsleuten an die Rotarier Sponsoring-Schecks überreicht und weitere zugesagt. Wir werden gerne wieder kommen und unser Bestes geben.
4. Interplast-Einsatz im Oktober 2011
Obwohl wir uns nun schon zum vierten Mal auf den Weg an den oberen Ganges machten, war es kein Routine-Unternehmen (und wird es wohl auch die nächsten Jahre nicht werden). Nicht nur dass die Spannung gross ist, welche Patienten sich neu vorstellen würden und was aus den Patienten des letzten Jahres wohl geworden sein mag; auch das Team ist jedes Jahr anders zusammengesetzt und muss sich immer neu als Gruppe bewähren. Es hat sich inzwischen ein „harter Haridwar-Kern“ gebildet bestehend aus Christiane Bayer/Steinfeld, Dr. Gaby Fromberg/Murnau, Dr. Bärbel Fuchs/Wasserburg (2009 und 2010), Christine Gugg/Edling, Ana Lazaro Martín/Gleishorbach, Cristina Lorenz/Traxl (2008 und 2009) sowie Thomas Hehr, Gleishorbach, Dr. Wolfgang Detterbeck/Breitbrunn und Prof.Dr. Hajo Schneck/Traxl), die alle bereits mehrmals in Haridwar mit von der Partie waren (und das auch in den nächsten Jahren sein wollen). Mit dabei waren diesmal auch Dr. Petronela Monticelli-Maier, Oberärztin der Plastischen Chirurgie an der Diakonie Bad Kreuznach, und Dr. Jürgen Bredow, Oberarzt der Unfallchirurgie in Ravensburg, der kurzfristig für den verunfallten, bereits Haridwar-erfahrenen Ebersberger Chirurgen Jörg Dannheuser eingesprungen war – danke dafür.
Mehr und mehr wird die Ankunft in Haridwar zu einer Rückkehr; die schon 2008 perfekt agierenden Rotarier-Familien sind inzwischen – jedenfalls einige davon – zu Freunden geworden, der Einsatz für Interplast (und nicht nur für Interplast; dieselbe Gruppe organisiert unermüdlich und mit hohem finanziellem und persönlichem Einsatz eine ganze Reihe weiterer medizinischer und sozialer Projekte von der Pilgerbetreuung bis zur Herzchirurgie) ist unglaublich und wird offenbar mit echter Überzeugung und Hingabe geleistet.
Als kleines Beispiel: um uns ein paar Minuten mehr Schlaf und eine morgendliche Team-Situation zu ermöglichen, wird unser Frühstück im Hotel zubereitet, das allerdings nicht über eine Küche verfügt. Deshalb versorgt uns morgens um 7 Uhr einer der Rotary-Freunde mit Tee, Kaffee, Toast und frischen Früchten, und das jeden Tag und mit freundlicher Miene und interessanten Neuigkeiten. Danach begleitet er uns ins Krankenhaus, kümmert sich darum, dass die Organisation ins Laufen kommt und verschwindet erst dann völlig unauffällig und ohne grosses Aufhebens in seine Firma Jedes Jahr überlege ich, welcher deutsche Firmenchef (und mit Firma meine ich in seinem Fall einige Tausend Mitarbeiter und einen, in Euro und auf Deutschland umgerechnet, achtstelligen Jahresumsatz) wohl Morgen für Morgen für ein knappes Dutzend unausgeschlafener Ausländer die Semmel einkaufen und sich dann beste Stimmung verbreitend zu ihnen setzen würde – ich kann mir keinen vorstellen. Auch für diesen jungen, gut situierten Unternehmer wäre es ein Leichtes, Personal abzustellen oder auf andere Weise für unser Frühstück sorgen zu lassen – seine Art hat aber eben weniger mit Frühstück als mit Respekt, Engagement und Hingabe („commitment“) zu tun. So läuft Vieles in Haridwar, ein unschätzbarer Punkt für das Gelingen unseres gemeinsamen Projekts Interplast-Camps.
Mit grosser Freude haben wir erfahren, dass der Rotary-Club Haridwar, welcher diese unendliche Arbeit (und auch eine ganze Menge Geld) in unsere Camps investiert hat und das auch weiter tun will, vom Rotary-District 3080 Nordindien mit dem Ersten Preis für humanitäre Activities ausgeszeichnet wurde. Das freut uns nicht nur für unsere Freunde in Haridwar und unser Projekt, sondern es ist offenbar auch ein Ansporn für andere Rotary-Clubs. So haben wir bereits Anfragen von zwei Clubs aus New Delhi und Chandigarh für ähnliche Interplast-Einsätze – wenn sie nach dem Vorbild Haridwar geplant und organisiert werden, kann das nur gut sein.
In den von einem Feiertag unterbrochenen zwei Arbeitswochen konnten wir diesmal bei 75 PatientInnen 108 Operationen durchführen, wobei die guten Ergebnisse der handchirurgischen Eingriffe im letzten Jahr zu einer Flut von Anmeldungen schwerer und schwerster Handverbrennungen geführt hatten. Nachdem wir von den untersuchten 340 PatientInnen an den zur Verfügung stehenden acht Tagen nur 75 operieren konnten, bei weiteren 50 aber Operationsbedarf besteht, haben wir für 2012 bereits ein fast komplettes Operationsprogramm gesammelt; die Organisatoren werden alle diese PatientInnen frühzeitig anrufen oder anschreiben, sobald der genaue Termin des nächstjährigen Einsatzes feststeht. Ein Orthopäde aus Uttarkandh, der sich heuer zur Übernahme der Nachbetreuung unserer Patienten bereit erklärt hat, will sich inzwischen auch um die krankengymnastische Nachsorge kümmern – wenn das klappt, wäre es ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer tragfähigen, auf Dauer ausgerichteten Struktur.
3. Interplast-Einsatz im Oktober 2010
Kumbh Mela mit seinen 20 Millionen Pilgern hatte ebenso eindrucksvolle Spuren in Haridwar hinterlassen wie die Folgen der heftigsten Monsun-Niederschläge seit fast 40 Jahren (nicht nur in Pakistan, sondern eben auch weiter östlich am Himalaya) mit Überflutungen und Erdrutschen in grösstem Ausmass. Dennoch bestanden die Gastgeber des Rotary-Clubs Ranipur-Haridwar darauf, dass wir uns wie vereinbart einfinden sollten – und hatten auch alles perfekt vorbereitet, logistisch wie organisatorisch, und nicht nur eben perfekt, sondern mit grösster Herzlichkeit und Freude.
Unser Team mit drei ChirurgInnen (Dr. Gaby Fromberg/Murnau, Dr. André Borsche/Bad Kreuznach, Prakash Chhajlani MD/Indore-Madhyia Pradesh), drei Schwestern und einem Pfleger (Ana Lazaro Martín und Thomas Hehr, Gleishorbach, Christiane Bayer/Steinfeld und Christine Gugg/Edling) sowie drei AnästhesistInnen (Dr. Bärbel Fuchs/Wasserburg, Dr. Wolfgang Detterbeck/Breitbrunn und Prof.Dr. Hajo Schneck/Traxl) hatte überwiegend schon Haridwar-Erfahrung (und Sehnsucht) und fand sich schnell wieder in die Gegebenheiten ein. Von den Damen und Herren des Rotary-Clubs wurden wir erneut geradezu verwöhnt, neben Unterkunft und wunderbarem vegetarischem Essen schenkten sie uns vor allem ihre Zeit von morgens sieben bis fast Mitternacht und wirkten als Dolmetscher, Hol- und Bringedienst, Telefonisten und Organisatoren, nicht zu vergessen Fremdenführer am freien Sonntag. Das Rafting und Schwimmen im Ganges, welches wegen des noch immer hohen Wasserstandes leider ausfallen musste, ersetzten sie uns durch einen genussvollen Spaziergang mit Bad im Wasserfall in den Vorbergen des Himalaya.
In den zwei Wochen mit acht Op-Tagen, die unser Einsatz diesmal dauerte, konnten wir neben der Untersuchung und Beratung von 320 PatientInnen fast 130 Eingriffe bei 86 PatientInnen durchführen, was sich bei Gesamtausgaben von ungefähr € 14.000.- zu einem durchschnittlichen Einsatz von Spendenmitteln von weniger als € 110.- rechnet – ein Wert, auf den wir sehr stolz sind (und den wir natürlich auch der Tatsache verdanken, dass wir für Unterkunft und Essen keinen Cent ausgeben mussten).
Bei der Abschiedsfeier in ganz entspannter und freundschaftlicher Atmosphäre wurde von unseren Gastgebern und von den anwesenden Vertretern aus Politik und Gesundheitsverwaltung gar nicht gefragt ob, sondern lediglich wann wir im nächsten Jahr wiederkommen würden – das EFI-Projekt Haridwar scheint in die richtige Richtung zu laufen. Es wird mit der Gewinnung eines örtlichen Chirurgen, der bereits diesmal steigendes Interesse angedeutet hat und sich vielleicht im nächsten Jahr durch mehr Anwesenheit und mehr Verantwortung für Vor- und Nachsorge enger einbinden lassen wird, weiter an Qualität und Zukunftsfähigkeit erhalten. Wir freuen uns darauf und werden im Herbst 2011 wieder nach Uttarkandh aufbrechen.
2. Interplast-Einsatz im April 2009
Das zweite Interplast-Camp wurde entsprechend im April 2009 durchgeführt, wiederum mit einem von Prof. Hajo Schneck geführten internationalen und deutschlandweiten Team (Ebersberg, Gleishorbach, Indore/Indien, Krefeld, Oslo/Norwegen, Steinfeld, Traxl), erneut unter dem Dach der Bad Kreuznacher Interplast-Sektion.
Bei diesem zweiten Einsatz bestätigten sich alle Eindrücke von 2008, was Gastfreundschaft und Arbeitsbedingungen betrifft; vor alle aber hatten die im Jahr zuvor operierten PatientInnen offensichtlich gute „Werbung“ gemacht hatten: schon bei unserer Ankunft fand sich das Krankenhaus von Menschen belagert, die von uns behandelt oder wenigstens untersucht werden wollten – im Laufe der ersten Tage sahen wir weit über 300 Kinder und Erwachsene (wobei der Einsatz unseres Kollegen und Freundes Dr. Prakash Chhajlani, Plastischer Chirurg aus Indore in Zentralindien, gar nicht genug hervorgehoben werden kann).
92 Operationen zählten wir am Ende der zweiten Woche, und viele weitere Patienten hatten wir schon auf 2010 vertrösten müssen. Und wieder kamen wir dank der unglaublichen Gastfreundschaft des Rotary-Clubs von Haridwar und Ranipur mit dem sehr niedrigen Betrag von € 175.- pro Operation aus, eine Grössenordnung, die nur etwa ein Zwanzigstel oder noch weniger dessen bedeutet, was für eine vergleichbare Operation in Deutschland aufgewendet werden müsste.
Das nächste Kumbh Mela-Fest fällt auf das Jahr 2010 und stellt die sozial engagierten Bürger von Haridwar vor immense Aufgaben. Sie haben trotzdem darauf bestanden, uns auch für dieses besondere Jahr wieder einzuladen, weil, wie sie uns sagten, „die Armen von Haridwar und Umgebung darum gebetet hätten und schon fest auf unserer Hilfe zählten“. Die Planung läuft, ein ähnliches Team wird sich im Oktober auf den Weg machen, wenn Kumbh Mela vorbei und die Arbeit dort getan ist.
1. Interplast-Einsatz im März 2008
Erstmals im März 2008 besuchte ein Interplast-Team (Breitbrunn, Gleishorbach, Krefeld, München, Mumbai/Indien, Padua/Italien, Traxl) unter Leitung von Prof. Hajo Schneck die Stadt im Bundesstaat Uttarkandh im Nordosten Indiens zwischen Pakistan und Nepal, um dort unter der Obhut des örtlichen Rotary-Clubs chirurgische Hilfe zu leisten.
Die Bilanz dieses zweiwöchigen Einsatzes (unter dem Dach der Interplast-Sektion Bad Kreuznach) war mit 77 Operationen und nicht nur in finanzieller Hinsicht exzellentem Sponsoring durch die Gastgeber (Unterkunft und Mahlzeiten ohne Kosten für das Team, eingesetzte Spendenmittel pro Operation: € 170.-) so positiv, dass noch vor Ort mit den Gastgebern und den örtlichen Repräsentanten der Gesundheitsverwaltung ein Folgeeinsatz für 2009 und weitere Jahre vereinbart wurde.