Dutzende bis Hunderte von Toten jedem Tag auf beiden Seiten im russischen Krieg gegen die Ukraine, das sind die Meldungen, die wir seit Monaten (heute sind es fast 600 Tage seit dem Überfall durch die russische Armee) hören und lesen. Die Zahl der verletzten Soldaten und ZivilistInnen ist nur zu schätzen, es müssen aber Hunderttausende sein.
Militärische Überfälle scheinen sich zu häufen, und ich glaube nicht, dass das ausschliesslich mit der besseren Informationslage und einer schnelleren Berichterstattung zu tun hat. Der Umgang mit den jeweiligen Feinden hat sich gleichzeitig brutalisiert, ich erwähne nur Butscha, jetzt den Westen Israels, in näherer Vergangenheit den Balkankrieg, die Kriegsverbrechen im Norden Nigerias, den sog. „Islamischen Staat“ im nahen und mittleren Osten. Enthauptung und Massenerschiessung sind Begriffe, die nun wieder in den Berichten auftauchen neben Blutbad, Massaker, Hinrichtung, gezielte Vergewaltigung, Verbrennung bei lebendigem Leibe.
Es scheint, als ob die moralische Entwicklung der Spezies homo sapiens an ihre Grenzen gestossen sei – und es fällt schwer darauf zu hoffen, dass es sich bei alledem um einen „Ausrutscher“ handelt und bald alles wieder „ins Lot“ kommen wird.
Kurzfristig ist es trotzdem möglich und vielleicht auch richtig, auf diesem Weg, wohin er auch immer führen mag, entstehendes Leid zu mildern mit den Mitteln, die jedem Menschen mit Empathie und humanitischen Werten zur Verfügung stehen. Dabei ist es natürlich viel einfacher, mit einer gut gezielten Streubombe Leid, Wunden und Schmerzen hervorzurufen, als diese Verletzungen – im Überlebensfall – zu behandeln oder sonstige persönliche Hilfe zu leisten. Trotzdem darf man vor der Menge und Grösse der Aufgaben nicht kapitulieren, finde ich. Deshalb arbeitet unser kleiner Verein mit einem bewährten Netzwerk aus privaten und beruflichen Freunden, langjährigen SpenderInnen, Partnern in der Industrie und seit 600 Tagen Kollegen und PartnerInnen aus der Ukraine daran, vor Ort aktuellen Bedarf an materieller medizinischer Hilfe festzustellen, den Markt nach entsprechenden Möglichkeiten zu durchsuchen, das am dringendsten Benötigte zu beschaffen und Transportpfade und Wege an den Ort des grössten Bedarfs ausfindig zu machen.
Auf diese Weise hat EFI e.V. seit Kriegsbeginn Material und Ausrüstung im Gegenwert von fast € 230.000.- akquiriert und auf den Weg gebracht, vom Mulltupfer und Medikamenten verschiedener Art über chirurgisches Instrumentarium, Trinkwasseraufbereitungsanlagen und Heizöfen bis zu der Anforderung entsprechend ausgestatteten Rettungsfahrzeugen. Nebenbei: diese 250.000.- € entsprechen ungefähr den Kosten eines halben Marschflugkörpers.
Einen derartigen Rettungswagen, wie alle vorigen gebraucht, generalüberholt, sinnvoll ausgestattet und erneut mit Allradantrieb und erhöhter Geländegängigkeit konnten wir erneut diese Woche finden und sowohl Ankauf (diesmal in Berlin) als auch die baldige Überführung durch einen privaten ukrainischen Bekannten bereits abschliessen bzw. vorbereiten. Selbstverständlich werden wir das Fahrzeug für die Überführung auch noch nach Kräften mit medizinischen Materialien vollstopfen.
Wir hoffen, dass der KTW („Krankentransportwagen“) unter den Bedingungen des Krieges seinen Dienst leisten wird und das auch im vor der Tür stehenden Winter. Allen Kolleginnen und Kollegen, die ihn benutzen werden, grössten Respekt, alles erdenkliche Glück, Kraft und Erfolg bei ihrer Tätigkeit!