Haridwar / Indien

Haridwar ist einer der heiligsten Orte in Indien; die Stadt befindet sich dort, wo der heilige Fluss Ganges den Himalaya verlässt und in die nordindische Ebene eintritt. Jedes Jahr wird Haridwar von Millionen Pilgern besucht, die dort ein spirituelles Bad in der „Mutter aller Flüsse“ nehmen.

Alle 12 Jahre findet unter dem Namen Kumbh Mela ein religiöses Festival statt, zu dem sich innerhalb von ca. drei Wochen 20 bis 30 Millionen Pilger einfinden, eine gewaltige organisatorische und logistische Aufgabe für eine Kleinstadt von gerade 200.000 Einwohnern.

Erstmals im März 2008 besuchte ein Interplast-Team (Breitbrunn, Gleishorbach, Krefeld, München, Mumbai/Indien, Padua/Italien, Traxl) unter Leitung von Prof. Hajo Schneck die Stadt im Bundesstaat Uttarkandh im Nordosten Indiens zwischen Pakistan und Nepal, um dort unter der Obhut des örtlichen Rotary-Clubs chirurgische Hilfe zu leisten.

Die Bilanz dieses zweiwöchigen Einsatzes (unter dem Dach der Interplast-Sektion Bad Kreuznach) war mit 77 Operationen und nicht nur in finanzieller Hinsicht exzellentem Sponsoring durch die Gastgeber (Unterkunft und Mahlzeiten ohne Kosten für das Team, eingesetzte Spendenmittel pro Operation: € 170.-) so positiv, dass noch vor Ort mit den Gastgebern und den örtlichen Repräsentanten der Gesundheitsverwaltung ein Folgeeinsatz für 2009 und weitere Jahre vereinbart wurde.

2. Interplast-Camp im April 2009

Interplast-Team 2009

Das zweite Interplast-Camp wurde entsprechend im April 2009 durchgeführt, wiederum mit einem von Prof. Hajo Schneck geführten internationalen und deutschlandweiten Team (Ebersberg, Gleishorbach, Indore/Indien, Krefeld, Oslo/Norwegen, Steinfeld, Traxl), erneut unter dem Dach der Bad Kreuznacher Interplast-Sektion.

Bei diesem zweiten Einsatz bestätigten sich alle Eindrücke von 2008, was Gastfreundschaft und Arbeitsbedingungen betrifft; vor alle aber hatten die im Jahr zuvor operierten PatientInnen offensichtlich gute „Werbung“ gemacht hatten: schon bei unserer Ankunft fand sich das Krankenhaus von Menschen belagert, die von uns behandelt oder wenigstens untersucht werden wollten – im Laufe der ersten Tage sahen wir weit über 300 Kinder und Erwachsene (wobei der Einsatz unseres Kollegen und Freundes Dr. Prakash Chhajlani, Plastischer Chirurg aus Indore in Zentralindien, gar nicht genug hervorgehoben werden kann).

92 Operationen zählten wir am Ende der zweiten Woche, und viele weitere Patienten hatten wir schon auf 2010 vertrösten müssen. Und wieder kamen wir dank der unglaublichen Gastfreundschaft des Rotary-Clubs von Haridwar und Ranipur mit dem sehr niedrigen Betrag von € 175.- pro Operation aus, eine Grössenordnung, die nur etwa ein Zwanzigstel oder noch weniger dessen bedeutet, was für eine vergleichbare Operation in Deutschland aufgewendet werden müsste.

Das nächste Kumbh Mela-Fest fällt auf das Jahr 2010 und stellt die sozial engagierten Bürger von Haridwar vor immense Aufgaben. Sie haben trotzdem darauf bestanden, uns auch für dieses besondere Jahr wieder einzuladen, weil, wie sie uns sagten, „die Armen von Haridwar und Umgebung darum gebetet hätten und schon fest auf unserer Hilfe zählten“. Die Planung läuft, ein ähnliches Team wird sich im Oktober auf den Weg machen, wenn Kumbh Mela vorbei und die Arbeit dort getan ist.

3. Interplast-Camp im Oktober 2010

Kumbh Mela mit seinen 20 Millionen Pilgern hatte ebenso eindrucksvolle Spuren in Haridwar hinterlassen wie die Folgen der heftigsten Monsun-Niederschläge seit fast 40 Jahren (nicht nur in Pakistan, sondern eben auch weiter östlich am Himalaya) mit Überflutungen und Erdrutschen in grösstem Ausmass. Dennoch bestanden die Gastgeber des Rotary-Clubs Ranipur-Haridwar darauf, dass wir uns wie vereinbart einfinden sollten – und hatten auch alles perfekt vorbereitet, logistisch wie organisatorisch, und nicht nur eben perfekt, sondern mit grösster Herzlichkeit und Freude.

Das Team 2010 mit Gaby Fromberg, Christine Gugg, Ana Lázaro Martín, Bärbel Fuchs, Wolfgang Detterbeck, Thomas Hehr, André Borsche und Hajo Schneck (von links). Nicht auf dem Bild: Prakash Chhajlani

Unser Team mit drei ChirurgInnen (Dr. Gaby Fromberg/Murnau, Dr. André Borsche/Bad Kreuznach, Prakash Chhajlani MD/Indore-Madhyia Pradesh), drei Schwestern und einem Pfleger (Ana Lazaro Martín und Thomas Hehr, Gleishorbach, Christiane Bayer/Steinfeld und Christine Gugg/Edling) sowie drei AnästhesistInnen (Dr. Bärbel Fuchs/Wasserburg, Dr. Wolfgang Detterbeck/Breitbrunn und Prof.Dr. Hajo Schneck/Traxl) hatte überwiegend schon Haridwar-Erfahrung (und Sehnsucht) und fand sich schnell wieder in die Gegebenheiten ein. Von den Damen und Herren des Rotary-Clubs wurden wir erneut geradezu verwöhnt, neben Unterkunft und wunderbarem vegetarischem Essen schenkten sie uns vor allem ihre Zeit von morgens sieben bis fast Mitternacht und wirkten als Dolmetscher, Hol- und Bringedienst, Telefonisten und Organisatoren, nicht zu vergessen Fremdenführer am freien Sonntag. Das Rafting und Schwimmen im Ganges, welches wegen des noch immer hohen Wasserstandes leider ausfallen musste, ersetzten sie uns durch einen genussvollen Spaziergang mit Bad im Wasserfall in den Vorbergen des Himalaya.

In den zwei Wochen mit acht Op-Tagen, die unser Einsatz diesmal dauerte, konnten wir neben der Untersuchung und Beratung von 320 PatientInnen fast 130 Eingriffe bei 86 PatientInnen durchführen, was sich bei Gesamtausgaben von ungefähr € 14.000.- zu einem durchschnittlichen Einsatz von Spendenmitteln von weniger als € 110.- rechnet – ein Wert, auf den wir sehr stolz sind (und den wir natürlich auch der Tatsache verdanken, dass wir für Unterkunft und Essen keinen Cent ausgeben mussten).

Bei der Abschiedsfeier in ganz entspannter und freundschaftlicher Atmosphäre wurde von unseren Gastgebern und von den anwesenden Vertretern aus Politik und Gesundheitsverwaltung gar nicht gefragt ob, sondern lediglich wann wir im nächsten Jahr wiederkommen würden – das EFI-Projekt Haridwar scheint in die richtige Richtung zu laufen. Es wird mit der Gewinnung eines örtlichen Chirurgen, der bereits diesmal steigendes Interesse angedeutet hat und sich vielleicht im nächsten Jahr durch mehr Anwesenheit und mehr Verantwortung für Vor- und Nachsorge enger einbinden lassen wird, weiter an Qualität und Zukunftsfähigkeit erhalten. Wir freuen uns darauf und werden im Herbst 2011 wieder nach Uttarkandh aufbrechen.

4. Interplast-Camp im Oktober 2011

Obwohl wir uns nun schon zum vierten Mal auf den Weg an den oberen Ganges machten, war es kein Routine-Unternehmen (und wird es wohl auch die nächsten Jahre nicht werden). Nicht nur dass die Spannung gross ist, welche Patienten sich neu vorstellen würden und was aus den Patienten des letzten Jahres wohl geworden sein mag; auch das Team ist jedes Jahr anders zusammengesetzt und muss sich immer neu als Gruppe bewähren. Es hat sich inzwischen ein „harter Haridwar-Kern“ gebildet bestehend aus Christiane Bayer/Steinfeld, Dr. Gaby Fromberg/Murnau, Dr. Bärbel Fuchs/Wasserburg (2009 und 2010), Christine Gugg/Edling, Ana Lazaro Martín/Gleishorbach, Cristina Lorenz/Traxl (2008 und 2009) sowie Thomas Hehr, Gleishorbach, Dr. Wolfgang Detterbeck/Breitbrunn und Prof.Dr. Hajo Schneck/Traxl), die alle bereits mehrmals in Haridwar mit von der Partie waren (und das auch in den nächsten Jahren sein wollen). Mit dabei waren diesmal auch Dr. Petronela Monticelli-Maier, Oberärztin der Plastischen Chirurgie an der Bad Kreuznach und Dr. Jürgen Bredow, Oberarzt der Unfallchirurgie in Ravensburg, der kurzfristig für den verunfallten, bereits Haridwar-erfahrenen Ebersberger Chirurgen Jörg Dannheuser eingesprungen war – danke dafür.

Mehr und mehr wird die Ankunft in Haridwar zu einer Rückkehr; die schon 2008 perfekt agierenden Rotarier-Familien sind inzwischen – jedenfalls einige davon – zu Freunden geworden, der Einsatz für Interplast (und nicht nur für Interplast; dieselbe Gruppe organisiert unermüdlich und mit hohem finanziellem und persönlichem Einsatz eine ganze Reihe weiterer medizinischer und sozialer Projekte von der Pilgerbetreuung bis zur Herzchirurgie) ist unglaublich und wird offenbar mit echter Überzeugung und Hingabe geleistet.

drei der Rotarier-Freunde: Sujata Mehta, Swati und Rajat Khandelwal

Als kleines Beispiel: um uns ein paar Minuten mehr Schlaf und eine morgendliche Team-Situation zu ermöglichen, wird unser Frühstück im Hotel zubereitet, das allerdings nicht über eine Küche verfügt. Deshalb versorgt und morgens um 7 Uhr einer der Rotary-Freunde mit Tee, Kaffee, Toast und frischen Früchten, und das jeden Tag und mit freundlicher Miene und interessanten Neuigkeiten. Danach begleitet er uns ins Krankenhaus, kümmert sich darum, dass die Organisation ins Laufen kommt und verschwindet erst dann völlig unauffällig und ohne grosses Aufhebens in seine Firma Jedes Jahr überlege ich, welcher deutsche Firmenchef (und mit Firma meine ich in seinem Fall einige Tausend Mitarbeiter und einen, in Euro und auf Deutschland umgerechnet, achtstelligen Jahresumsatz) wohl Morgen für Morgen für ein knappes Dutzend unausgeschlafener Ausländer die Semmel einkaufen und sich dann beste Stimmung verbreitend zu ihnen setzen würde – ich kann mir keinen vorstellen. Auch für diesen jungen, gut situierten Unternehmer wäre es ein Leichtes, Personal abzustellen oder auf andere Weise für unser Frühstück sorgen zu lassen – seine Art hat aber eben weniger mit Frühstück als mit Respekt, Engagement und Hingabe („commitment“) zu tun. So läuft Vieles in Haridwar, ein unschätzbarer Punkt für das Gelingen unseres gemeinsamen Projekts Interplast-Camps.

Rotary-District-Governor Manpreet Singh

Mit grosser Freude haben wir erfahren, dass der Rotary-Club Haridwar, welcher diese unendliche Arbeit (und auch eine ganze Menge Geld) in unsere Camps investiert hat und das auch weiter tun will, vom Rotary-District 3080 Nordindien mit dem Ersten Preis für humanitäre Activities ausgeszeichnet wurde.  Das freut uns nicht nur für unsere Freunde in Haridwar und unser Projekt, sondern  es ist offenbar auch ein Ansporn für andere Rotary-Clubs. So haben wir bereits Anfragen von zwei Clubs aus New Delhi und Chandigarh für ähnliche Interplast-Einsätze – wenn sie nach dem Vorbild Haridwar geplant und organisiert werden, kann das nur gut sein.

In den von einem Feiertag unterbrochenen zwei Arbeitswochen konnten wir diesmal bei 75 PatientInnen 108 Operationen durchführen, wobei die guten Ergebnisse der handchirurgischen Eingriffe im letzten Jahr zu einer Flut von Anmeldungen schwerer und schwerster Handverbrennungen geführt hatten. Nachdem wir von den untersuchten 340 PatientInnen an den zur Verfügung stehenden acht Tagen nur 75 operieren konnten, bei weiteren 50 aber Operationsbedarf besteht, haben wir für 2012 bereits ein fast komplettes Operationsprogramm gesammelt; die Organisatoren werden alle diese PatientInnen frühzeitig anrufen oder anschreiben, sobald der genaue Termin des nächstjährigen Einsatzes feststeht. Ein Orthopäde aus Uttarkandh, der sich heuer zur Übernahme der Nachbetreuung unserer Patienten bereit erklärt hat, will sich inzwischen auch um die krankengymnastische Nachsorge kümmern – wenn das klappt, wäre es ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer tragfähigen, auf Dauer ausgerichteten Struktur.

 

5. Op-Camp Haridwar im Oktober 2012

Und schon wieder war ganz rasch ein Jahr vorbei gegangen, das für alle Teilnehmer mit vielen anderen wichtigen Dingen angefüllt war, Privatem, Beruflichem, und dennoch hatten wir alle das Gefühl, auf diesen Einsatz hin gefiebert zu haben.

Rajiv Bhalla, die treibende Kraft des Rotary-Clubs

Umfeld und Personen vor Ort am Ganges waren weitgehend dieselben, der Reiseablauf schon Routine – trotzdem hatten die Freunde in Haridwar ihr Versprechen, weiter an der Perfektionierung zu arbeiten, wahr gemacht. Rima Bhalla, die Frau des Haupt-Organisators Rajiv, hatte bereits im Sommer mit der Patientenakquise begonnen und dazu ein eigenes Mobil-Telefon besorgt und eingerichtet, über das ausschliesslich Telefonate im Zusammenhang mit dem Camp abgewickelt wurden.

Rima Bhalla, die Seele der Patienten-Organisation

Dazu hatte sie von den 50 im letzten Jahr auf die „Warteliste“ gesetzten PatientInnen (für die wir 2011 keine Op-Zeit mehr hatten finden können) 38 erreicht und einbestellt (36 davon haben wir dann auch behandelt und dafür eine etwa ebenso lange Liste für 2013 zurück gelassen); ferner etwa 10 im letzten Jahr endgültig operierte PatientInnen aufgespürt, die sich bereitwilligst einfach zum Nachschauen (für uns eine wichtige Qualitätskontrolle) und ein bisschen Reden und Lachen einfanden.

Auch die administrativen Abläufe hatten die damit befassten Rotarierinnen nochmals verbessert; anders wäre es nicht möglich gewesen, ohne jede Verwechslung, mit leicht erträglichem Lärm und in nur sieben Stunden an zwei praktisch eingerichteten Untersuchungsplätzen schon am ersten Tag 180 PatientInnen anzusehen, etwa ein Drittel davon auszuwählen, zu dokumentieren und parallel dazu bereits einen recht genauen Op-Plan für die folgenden zwei Wochen festzulegen (an den folgenden Tagen haben wir neben dem laufenden Op-Betrieb weitere 140 PatientInnen untersucht und beraten, zusammen weit über 300).

Neu von unserer Seite war, dass wir erstmals versuchten, das Fehlen ärztlicher Nachbetreuung nach Abreise in diesem „schlafenden“ Krankenhaus dadurch zu kompensieren, dass eine Kollegin aus unserem Team gut eine Woche länger blieb (und dafür erst kurz vor Ende des Op-Betriebs anreiste). Somit bestand das Team diesmal aus 10 Personen, und zwar

Christiane Bayer aus Steinheim/Pfalz, Op-Schwester (4. Einsatz dort)

Dr. Bärbel Fuchs, Anästhesistin aus Wasserburg am Inn (3. Mal)

Dr. Gaby Fromberg, Plastische Chirurgin aus Murnau (3. Mal)

Ana Maria Lázaro Martín, Op-Schwester aus Gleishorbach/Pfalz (5. Einsatz dort)

Dr. Irini Panteli, Plastische Chirurgin aus Hamburg (zum ersten Mal dabei)

Dr. Silke Platte aus Neuental/Hessen, Praktische Ärztin (zum ersten Mal dabei, Nachsorge)

Dr. Matthias Biemer, Plastischer Chirurg ebenfalls aus Murnau (erstmals)

Thomas Hehr, Pfleger aus der Pfalz (wie Ana schon zum 5. Mal dabei, also jedes Mal)

Andrej Moskvin, Anästhesist aus Ebersberg (wie im letzten Jahr), und

Prof.Dr. Hajo Schneck, Anästhesist aus Traxl und Teamleiter.

 

Ausserdem konnten wir dank einigen speziell für Haridwar eingetroffenen Spenden uns auch apparativ verbessern; so habe wir jetzt einen eigenen sog. „Elektrokauter“, also ein Gerät für elektrisches Schneiden und Blutstillung, zurück gelassen, dazu zwei Spritzenpumpen und einige weitere nicht ganz billige Gerätschaften. Das wird die Gepäcksituation bei den nächsten Einsätzen – und dass es noch mehrere solche geben wird, davon gehen wir alle aus – merklich entlasten.

Was haben wir also diesmal geleistet? Knapp 125 Operationen bei gut 85 PatientInnen, wie immer überwiegend Kinder und weibliche Patientinnen, mit den Schwerpunkten Verbrennungschirurgie an Händen, Armen und Stamm, dazu Fehlbildungen und oberflächliche Tumoren. Erfreulich und uns allen ein Anliegen, dass wir die Ausgaben aus Spendengeldern auf ca. € 110.- pro Eingriff noch weiter senken konnten – ein Betrag, für den es in München kaum mehr zwei Konzertkarten oder zwei Tankfüllungen gibt.

Schwerste Behinderung durch eine – erstaunlicherweise überlebte – ausgedehnte Verbrennung

Besonders beeindruckt hat uns alle diesmal der Fall einer jungen Frau mit schwersten Verbrennungen an Gesicht, Hals, Brust, beiden Armen und Händen, die wir in einer mehr als 7stündigen Op-Sitzung aus ihrem narbigen Panzer befreien konnten (weitere Operationen sind für 2013 geplant) – ein Eingriff, der von Dauer, Gewebstrauma, Wärme- und Blutverlust her an die oberste Grenze dessen gegangen ist, was unter den gegebenen Bedingungen mach- und verantwortbar ist. Wir waren alle sehr froh (und schon auch erleichtert), als sich Rheka (so ist ihr Name) innerhalb von 24 Stunden ganz erfreulich erholt hat.

gleiche Patientin einige Tage nach einer vielstündigen Operation (weitere werden folgen)

Für nächstes Jahr sind wir von den Rotariern und von den politisch Verantwortlichen (wir hatten u.a. Besuch vom Gesundheitsminister und zuvor schon von seinem Staatssekretär) herzlich eingeladen, ein weiteres Camp zu veranstalten, und weitere Optimierungen in Ablauf und Umfeld sind angekündigt – ich wüsste nicht, wo noch Luft nach oben wäre. Und bereits auf der Abschlussveranstaltung wurden von örtlichen Industriellen und Geschäftsleuten an die Rotarier Sponsoring-Schecks überreicht und weitere zugesagt. Wir werden gerne wieder kommen und unser Bestes geben.

 

 

 

2013 – andere Prioritäten nach verheerender Monsun-Katastrophe

Der schon gewohnte Interplast-Einsatz in Haridwar, der 6. in Folge wäre es geworden, findet in diesem Jahr nicht statt. Die Planung, die wegen eines Umbaus im von uns genutzten Krankenhaus ohnehin schon schwierig begonnen hatte, wurde nun endgültig aufgegeben. Grund hierfür sind verheerende Überschwemmungen im Zuge des heuer sehr früh und extrem stark einsetzenden Monsuns an der Südseite des Himalaya. Hauptsächlich betroffen sind die Bundesstaaten Uttarakhand und – nordwestlich davon – Himachal Pradesh, die den Oberlauf des Ganges bzw. des Indus beherbergen.

Rishikesh

Der Ganges in Rishikesh einige Kilometer oberhalb von Haridwar (Foto: AP in faz.net)

Etwa zur gleichen Zeit, in der auch in Europa durch starke Regenfälle sog. „Jahrhundertfluten“ ausgelöst wurden, kam es Mitte Juni 2013 zu Überflutungen in der Gegend von Haridwar und Ganges-aufwärts, bei denen Hunderttausende obdachlos wurden und ihr Hab und Gut verloren, Zehntausende verletzt worden sind und eine noch nicht bekannte Zahl von Menschen ums Leben kam; derzeit werden alleine im Bundesstaat Uttarakhand einige Tausend Menschen vermisst.

Der Rotary Club von Haridwar, der seit 2008 unser Partner bei den Einsätzen mit Interplast-Teams ist, hat umgehend in Zusammenarbeit mit den Rotariern des gesamten Staates eine Hilfsstruktur geschaffen, die sich bereits jetzt, wo Armee und Luftwaffen noch mit der Rettung von Verletzten und der Bergung von Todesopfern befasst sind, den Wiederaufbau tragfähiger Strukturen in den am stärksten betroffenen Gebiete plant. Dabei geht es neben rein baulichen Massnahmen auch um die Wiederherstellung eines Gesundheits- und Bildungswesens. An dieser Stelle will EFI die Massnahmen der Rotarier unterstützen, die sich in den ganzen Jahren nicht nur als zuverlässige Partner und Freunde, sondern gerade auch als effiziente Organisatoren erwiesen haben. Nach den Erfahrungen aus Haiti mit dem weitgehend unorganisierten, teils sehr chaotischen und letztlich kontraproduktiven „Aufmarsch“ von Helfern und Hilfsorganisationen mit bester Absicht, aber wenig konkretem Plan halten wir die Unterstützung von Organisationen, die vor Ort exzellent vernetzt sind und die Gegebenheiten weitaus besser kennen als UNICEF, WHO, MSF oder wer immer, für die am besten geeignete Vorgehensweise.

EFI hat deshalb die für den geplanten, nun aber abgesagten Einsatz im Herbst 2013 bereits gesammelten Mittel aufgerundet und wird dem Rotary Club Haridwar, der federführend an der Hilfsplanung beteiligt ist, den Betrag von 1.000.000 IndRupies entsprechend ca. € 14.000.- zur Verfügung stellen mit der Auflage, diesen Betrag kurz- oder mittelfristig für die Wiederherstellung und Verbesserung der medizinischen Möglichkeiten im Katastrophengebiet einzusetzen.

 

2014 – das nächste Team macht sich auf den Weg

Das grosse hinduistische Fest Diwali, das Lichterfest, entspricht in vielerlei Hinsicht dem christlichen Weihnachten. Da es an den Neumond gebunden ist ähnlich wie das christliche Osterfest, hat es keinen festen Termin – heuer liegt Divali besonders früh, so dass der Interplast-Einsatz 2014 ein paar Tage später beginnen wird als üblich. Uttarkandh blieb, wie alle west- und nordindischen Gebiete, vom Hurrikan „Hudhud“ verschont, der Mitte Oktober über die Ostküste hereingebrochen war, Dutzende Todesopfer gefordert hatte und fast eine Million Menschen obdachlos gemacht hatte.

Das elfköpfige Team, diesmal wegen der bereits angemeldeten zahlreichen Hand-Verbrennungen verstärkt um eine Physiotherapeutin, wird sich am 26.10.2014 auf den Weg machen, um den 6. Haridwar-Einsatz in Angriff zu nehmen.

Und schon (12. November 14) ist das Team wieder zurück – erfolgreich, das lässt sich ohne Übertreibung sagen, wie immer. Aus familiären Gründen konnten einige der „üblichen Verdächtigen“ diesmal nicht mit dabei sein, dennoch war der Kern des Teams direkt mit von der Partie oder von zuhause aus mit aktiv. Unter der Leitung von Dr. Gaby Fromberg und Dr. Wolfgang Detterbeck versorgten Christiane Bayer, Dr. Lars Berbig und Simone Visintin (alle Op-Pflege), Andrej Moskvin und Brigitte Zeller (Anästh.-Arzt, -Sr.), Gabriele Gross-D. (Physiotherapie), Dr. Martin Hofmeister und Moritz Brill (Chir.-Ärzte) mit Unterstützung von Felix Detterbeck (Dokumentation, „Mädchen“ für alles) an den diesmal nur acht Op-Tagen dank reibungsloser Vorbereitung und tatkräftiger Unterstützung durch die Mitglieder der örtlichen Rotary-Clubs wieder knapp 90 PatientInnen mit den typischen Operations-Indikationen Fehlbildung, Verbrennungsfolgen, Funktionsstörungen der Hände.

Ein Traumatologe, der im örtlichen Kommunal-Krankenhaus als Belegarzt tätig ist, übernahm die Nachsorge, Komplikationen ernsthafter Art sind nicht aufgetreten.

Neben den guten medizinischen Ergebnissen sei auch wieder einmal eine kurze Rechnung aufgestellt. Die Gesamtausgaben beliefen sich für den diesjährigen Einsatz auf € 16.500.- (etwas mehr als üblich: das Team umfasste zwei Personen mehr als 2012, wegen des Flut-bedingten Intervalls von zwei Jahren mussten nicht wenige Medikamente und Materialien, die in Hardiwar verblieben waren, wegen Verfall oder unsicherer Lagerung verworfen und unter gewissen Übergepäck-Kosten erneut importiert werden). Das bedeutet bei einer Patientenzahl von 90 dennoch lediglich ca. 185 Euro pro Patient, ein Betrag, für den in Deutschland eine Packung Tabletten, ein etwas gehobeneres Abendessen oder ein bis zwei Konzertkarten zu erhalten sind – das Geld ist gut angelegt, glaube ich. Allen Teammitgliedern und besonders den beiden LeiterInnen ein herzliches Dankeschön von EFI, genauso wie allen unseren Spendern!

 

10. Oktober 2015 – Einsatz Nr. 7

Noch so frühzeitige Planung schützt nicht vor Schwierigkeiten – dieses Mal brachte ein Verkehrsunfall, den Dr. Detterbeck im Spätsommer erlitten hatte, akuten Umplanungsbedarf. Operationen, Heilung und Nachbehandlung zahlreichen Brüche, die er sich zugezogen hatte, liessen lange eine gewisse Hoffnung, dass er in gewohnter Weise das Team würde mit anführen können. In der Endphase, in der er die Anästhesie-Vorbereitungen bezüglich Ausrüstung, Bestellungen etc. nicht aus der Hand gab (es funktionierte allerdings auch nur eine Hand richtig), zeigte sich jedoch eine bis dahin übersehene weitere Verletzung, und damit war die Entscheidung nicht mehr zu umgehen: Dr. Gaby Fromberg musste die Pflichten der Gesamt-Teamleitung, namentlich der Aussenvertretung vor Ort, diesmal alleine schultern (was sie mit eigentlich nie bezweifelter Souveränität tat), Andrej Moskvin übernahm ohne zu zögern die Verantwortung für die mit zwei Hardiwar-Neulingen anders, aber alles andere als inkompetent besetzte „Anästhesie-Abteilung“, und das Pflege-Trio Ana, Christiane und Thomas trugen das Ihre zum Teamzusammenhalt bei. Inzwischen hat sich Dr. Wolfgang Detterbeck weitgehend erholt, er selbst (und auch sonst niemand) zweifelt daran, dass er nächstes Jahr wieder „voll dabei“ sein wird.

Neu waren diesmal aber nicht nur eine Chirurgin und zwei AnästhesistInnen, sondern auch Dr. Nitu Rasaily, eine in Nordindien geborene, in Murnau lebende und arbeitende Chirurgin, die sich bereit erklärt hatte, einige Tage vor Einsatzende nach Haridwar zu reisen, um die operierten Patenten zu übernehemn und für eine weitere Woche zu betreuen. Fast schon wie eine Fügung kam es uns dabei vor, dass nicht nur sie selbst, sondern auch ihre in New Delhi lebende Schwester, die darüber hinaus von Beruf Op-Schwester ist,  mit von der Partie sein wollte. Möglicherweise hat sich damit nun für einige Einsätze das immer wieder im Hintergrund lauernde Problem der  kompetenten Nachsorge vor Ort lösen lassen – wir werden sehen.

 

Damit bestand das Team heuer aus

Christiane Bayer aus Steinheim/Pfalz, Op-Schwester (7. Einsatz dort)

Dr. Gaby Fromberg, Plastische Chirurgin aus Murnau (5. Mal)

Dr. Birgitta Klaiber, Anästhesistin aus Grafing (1. Mal in Haridwar, mehrere humanitäre Einsätze in Afrika)

Ana Maria Lázaro Martín, Op-Schwester aus Gleishorbach/Pfalz 6. Einsatz dort)

Dr. Neetu Rasaily, Chirurgin aus Murnau (Nachsorge, 1. Einsatz)

Neelam Rasaily, Op-Schwester aus New Delhi (1. Mal)

Dr. Tanja Wachter, Plastische Chirurgin aus Innsbruck (zum ersten Mal dabei)

Dr. Moritz Brill, Plastischer Chirurg aus Leipzig (2. Einsatz)

Dr. Andreas  Donhauser, Anästhesist aus Rosenheim (zum ersten Mal in Haridwar)

Thomas Hehr, Pfleger aus der Pfalz (wie Ana schon zum 6. Mal dabei)

Andrej Moskvin, Anästhesist aus Ebersberg (als „Ober-Anästhesist“, zum 4. Mal), und

von zuhause aus Prof.Dr. Hajo Schneck, Anästhesist aus Traxl.

 

Trotz nicht ganz geringer zahlenmässiger Stärke gelang es auch heuer wieder, natürlich dank der Gastfreundschaft des Rotary-Club Haridwar, der Kulanz der Fluggesellschaft und der Marien-Apotheke Prien (danke, Herr Dr. Reuther), die Gesamtkosten in der Grössenordnung von € 15.000.- zu halten. Viele der Teammitglieder hatten ausserdem im privaten und beruflichen Umfeld nicht ganz wenige Spenden eingeworben, eine grössere Spende, die für einen heuer nicht zustande kommenden anderen Einsatz in Nordindien reserviert gewesen war, wurde von den Spendern auf den Haridwar-Einsatz umgewidmet.

Die jährliche ärztliche Versorgung durch unser Team hat sich nun im 7. Jahr erfreulich etabliert; Ärzte und Patienten in der Gegend nehmen die von den unermüdlichen und unglaublich gut organisierten Freunden vom Rotary-Club und ihren Familien angebotenen Kommunikationswege wahr (z.B. eine ganzjährige speziell reservierte Handy-Nummer, Nachsorge- und Wiedervorstellungslisten). Diese Gruppe von sozial engagierten und kompetenten Menschen macht unsere fachliche Hilfe für ihre Landsleute möglich, ohne sie wären wir hilflos oder zumindest wenig koordiniert und daher wenig effizient.

 

Auch heuer wieder stellten sich mehr als 200 Patientinnen und Patienten vor, etwa 80 davon konnten im zweiwöchigen Op-Programm untergebracht und operiert werden (auch wenn es gelegentlich bis tief in die Nacht hinein ging). Nur als Beispiel für die Ernsthaftigkeit der Krankheitsbilder das Foto eines vor Jahren von einer Verbrennung betroffenen und seither nicht behandelten Jungen:

Verwachsungen nach Verbrennung
Es ist leicht vorzustellen, wie sehr die nahezu vollständige Bewegungseinschränkung in allen Gelenken des rechten Armes, von der Schulter bis hinab zu den Fingern, das Leben eines Kindes und seine persönlichen und berufichen Entwicklungsmöglichkeiten beeinträchtigt. Die Befreiung des Armes aus dieser Umklammerung wird einen sehr, sehr grossen Unterschied für den Jungen machen, wenn er auch wohl nicht alle bisher entstandenen Defizite wird aufholen können.

Wir sind gespannt, ihn im nächsten Jahr wieder zu sehen und ihn zu fragen, ob ein Teil dessen, was er sich erhofft hat, eingetroffen ist.

 

Schon wenige Stunden nach Rückkehr des Hauptteams haben sich die ersten MitfahrerInnen für den Einsatz 2016 gemeldet – und die Freunde in Haridwar mit Rücksicht auf die alljährlichen religiösen Feiertage einen Termin im Oktober vorgeschlagen. Bald werden wir die Planung für Haridwar die Achte aufnehmen.

 

9. Einsatz