Noida in Indien

April 2023 – erneut kein Einsatz in Noida – Konsulat so effektiv wie Corona

Leider haben sich unsere zuletzt geäusserten Befürchtungen rundum bestätitgt, ein Einsatz in Noida wird auch 2023 nicht stattfinden. Diesmal keine Pandemie, sondern „nur“ der offensichtliche Wille des Frankfurter Generalkonsulats von Indien, die Arbeit einer ausländischen NGO in Indien zu verhindern,ohne die wahren Beweggründe offen nennen zu müssen.

Nach der politisch motivierten Beschränkung und Behinderung inländischer Organisationen, von denen einige natürlich auch aus dem Ausland unterstützt wurden (s. als Beispiel https://akref.ead.de/akref-nachrichten/2022/juli/13072022-indien-regierung-setzt-ngos-unter-druck/) ist „NGO“ in Indien zum Reizwort geworden und triggert, so erzählen unsere indischen Freunde, gerade in regierungsfreundlichen (oder -abhängigen) Kreisen sofortige Aversion und defensiven Abstand.

Ob das bei den Mitarbeiter*innen der diplomatischen Vertretungen in Europa auch so der Fall ist oder ob es nicht viel mehr dementsprechende Weisungen des indischen Aussenministeriums gibt, ist natürlich nicht zu sagen. Auffällig ist aber doch, wie sich die Massnahmen gegen inländische NGOs und zum Beispiel den Ebersberger Förderverein Interplast gleichen: Verzögerung der Entgegennahme und Bearbeitung von Dokumenten, angekündigte, aber dann über lange Zeit einfach nicht erfolgende prinzipielle Regelungen, Verschwinden von Unterlagen, fehlende Erreichbarkeit zuständiger Personen, schneller und unangekündigter Wechsel von Vorgaben und Vorschriften u.s.w..

In unserem Fall wurden entsprechend den (übrigens von Konsulat zu Konsulat unterschiedlichen, aber wiederum von der offiziellen Website abweichenden) Anforderungen bereits zum Teil wiedertholt eingereichte Unterlagen weitere Male angefordert – natürlich immer mit entsprechender zusätzlicher Gebühr – oder neue, bisher nicht notwendige Dokumente nachgefordert. Zuletzt sollten wir den Arbeitsvertrag und die Gehaltsvereinbarung mit dem ausrichtenden Rotary Club in Noida vorlegen, das noch wenige Tage vor Abflug. Das vor zwei Jahren aus der ärztlichen Standesvertretung auch namentlich in die nationale Verwaltung übergegangene Medical Council of India (jetzt National Medical Commission) ist weiterhin von ausserhalb Indiens nicht online erreichbar, was bei online-Registrierungspflicht für ausserindische Fachleute wie die von EFI eindeutig nur den Sinn haben kann, die Registrierung zu be- oder im besten Fall verhindern.

Trotz grösster Mühe und Bereitschaft, den fast täglichen Frustrationen beim Warten auf die schon im Januar beantragten Visa zu widerstehen und allen noch so irrationalen Auf-, An- und Nachforderungen des zuständigen, nicht ausschliesslich mit höflichem oder gar freundlichem Personal beschenkten Monopol-Providers Indo-German Consultancy Services (IGCS) umgehend nachzukommen, waren die Anträge auf Arbeitsvisum offenbar drei Arbeitstage vor Abflug noch immer nicht zur Ausstellung bereit (erst eine Woche zuvor waren wieder Einladungsschreiben des Rotary-Clubs Noida angefordert worden, die wir erstmals im Januar 23 und danach auf Anforderung erneut vorgelegt hatten).

Um den Freunden vor Ort noch die kleine Chance zu geben, zumindest die Mehrzahl der bereits einbestellten Patienten abzusagen (die teils ja zwei- oder mehrtägige Anreisezeiten gehabt hätten), ebenso die Vorbereitungen im Krankenhaus, im Hotel und den „Dienstplan“ innerhalb des Clubs, mussten wir uns eine Woche vor Abflug entschliessen, defintiv abzusagen.

Es sei an der Stelle erwähnt, dass EFI durch das politisch motivierte, keine Rücksicht auf humanitäre Belange nehmende und letztlich die eigenen Bürger missachtende Verhalten des diplomatischen Dienstes nicht nur um den Erfolg seiner geschätzt mehr als 100 Stunden Vorbereitungsarbeit gebracht worden ist, sondern auch einen Verlust an Spendenmitteln verzeichnen muss, der sich im oberen vierstelligen Bereich befindet – von den über 8.000.- für Tickets beispielsweise werden bei Stornierung nur etwa 2-3.000.- übrig bleiben; die nicht erfolgsabhängigen Gebühren an die Konsulate in Frankfurt, Wien und München und an IGCS in Höhe von einigen Hundert Euro sind ebenso verloren wie beispielsweise die Transport- und Portokosten in der Vorbereitung. Die schon beschafften und jetzt auf das Auspacken wartenden Materialien und Medikamente werden wir versuchen an anderer Stelle nutzbringend einzusetzen. Der Schaden, der unseren Teammitgliedern durch Praxisschliessung etc. gerade entsteht, kann nur geschätzt werden.

Ähnliches gilt auch für die unendlich aktiven und effizienten Freunde vom Rotary-Club in Noida, die wohl nicht ohne materiellen Schaden aus den Vorbereitungen im Krankenhaus, im geplanten und gebuchten Hotel u.s.w. heraus kommen werden und dazu die für EFI im Voraus bestellten Medikamente und Materialien, den Hin- und Hertransport der gemeinsam mit Haridwar genutzen Ausrüstung sowie die nicht geringen Registrierungsgebühren bei der National Medical Commission zu tragen haben. Und auch das ist sicher noch nicht alles.

Auf beiden Seiten des Indischen Ozeans herrscht Ärger über das Verhalten der zuständigen Behörden vor, dazu deprimiert die Erkenntnis bzw. Bestätigung, dass bürokratische Hürden sehr leicht aufzubauen sind und mit noch so viel gutem Willen nicht leicht übersprungen werden können. Den indischen Freunden, auch wenn sie sich nicht explizit schriftlich äussern, erscheint die Angelegenheit als ein weiterer Schritt in Richtung nationalistische Diktatur, die ohne grosse Rücksicht auf „die Falschen“, also Bürger mit der falschen Religion, der falschen politischen Auffassung, ohne Zugehörigkeit zur „Nomenklatura“ und eben mit gemeinsam mit nicht-indischen Personen oder Organisationen verfolgten humanitären Plänen am Ziel eines hinduistisch ausgerichteten Nationalstaats arbeiten. Ob unter diesen Vorzeichen ein offiziell abgesegneter EFI-Einsatz in Haridwar, wie er für November bereits geplant ist, zustande kommen wird, ist mehr als fraglich. So bedauerlich das ist, kann EFI nicht entgegen dem erklärten Willen einer Regierung durch irgendeine Hintertür oder mit fehlenden oder unvollständigen Dokumenten oder unter falschen Angaben arbeiten (auch die Arbeit einer indischen Hilfsorganisation in einem deutschen Krankenhaus würden wir alle natürlich nicht ohne die entsprechenden Dokumente und Nachweise wie von den zuständigen deutschen Behörden zulassen).

Es ist ein Jammer !

 

4. Einsatz in Noida im April 2023 – ein neuer Anlauf

Was aus Covid-19 geworden ist und wie stark diese Pandemie die Welt verändert hat und noch verändern wird, das wissen wir inzwischen alle (man denke nur an die Millionen Toten, an den bereits erfolgten und noch zu erwartenden Einbruch der Weltwirtschaft, an die Offenlegung erheblicher Defizite, Unfähigkeiten und Selbstüberschätzungen in fast allen Staaten der Erde, nicht zuletzt in den sog. „führenden“ Ländern; an das Aufbrechen bisher nicht bekannter, unterdrückter oder ignorierter Risse und Brüche zwischen einzelnen Menschen, einzelnen Gruppen oder ganzen Staaten und die gewaltige Verunsicherung, wann so etwas wieder passieren wird und wenn, wie wir alle dann damit umgehen werden). Der eine oder andere inzwischen ausgebrochene Krieg und Bürgerkrieg lässt sich direkt auf Faktoren zurück führen, die mit der Corona-Pandemie zu tun haben, weitere werden folgen, sobald die wirtschaftlichen Defizite, die 2020 bis 22 entstanden sind, bezahlt werden müssen.

EFI´s Devise ist es die ganze Zeit über gewesen, unsere beschränkten finanziellen Möglichkeiten für die Linderung akuter Defizite einzusetzen, sei es durch die Unterstützung sozialer Projekte in Indien und Sierra Leone (Waisen, Schulen, aber auch ganz „einfach“ Nahrungsmittel), sei es durch Verbesserung der Versorgung Schwerkranker in den Kliniken der Partnerstädte (Sauerstoff-Konzentratoren, Beatmungsgerät etc.). Dafür hat EFI in den beiden Jahren an die 100.000.- Euro mobilisiert – ein Tropfen auf den heissen Stein, aber auch nicht ganz vergebens.

Keinesfalls wollten wir unsere Gastgeber drängen, die Einsätze wieder aufzunehmen, als sei nichts geschehen und die Situation NACH Corona identisch mit derjenigen VOR Corona. 2019 wird nicht mehr zurück kommen, weder seelisch noch politisch noch wirtschaftlich. Unsere erklärte Position war es, bereit zu sein für eine eventuelle Anfrage der Freunde an den EFI-Einsatzorten in Haridwar und Noida, und tatsächlich kam eine solche Nachfrage im Herbst 2022 von unseren Rotary-Partner und Freund Shashank Agarwal.

Nach kurzer Sichtung der Möglichkeiten (vor allem Kassensturz etc., s. Beitrag „Haridwar“, Abwägung gegenüber unseren neuen Aufgaben im Zusammenhang mit dem Ukraine-Überfall) entschieden wir uns dafür, einen neuen Anlauf zu wagen – nahezu das gesamte Team von 2019 war ohne zu zögern bereit, wieder mit von der Partie zu sein. Als Termin wurde vereinbart die Osterwoche, und wir machten uns unverzüglich an die organisatorische Vorbereitung. Damit begannen auch unverzüglich die Überraschungen, und leider bis heute (8. Februar) keine positiven.

Erste „Überraschung“ (eher keine Überraschung, aber wir hätten uns gerne getäuscht): Tickets, wenn auch wie immer sehr früh schon sieben Monate vor Flugtermin gebucht, kosten nach Corona mehr als doppelt so viel wie zuvor – knapp 1.500.- € in der Economy gegenüber 2019 noch 680.-, und von den eventuellen Übergepäck-Kosten wissen wir noch nichts Genaues. Bei einem Team von sieben Personen sind das gleich einmal 5.000.- € mehr als früher. Natürlich geht das, und Transportkosten sind neben Geräteabschreibung (ca. 3.000.-), Verbrauchsmaterial (ca. 4.000.-), mitzubringenden Medikamenten (ca. 1.000.-) und Kosten für Administration (ca. 1.000.-) der grösste Posten, in den so gerne niedrig gerechneten „Aufwand pro Patient“ ein. Bei einem kleineren Einsatz wie diesem mit z.B. 50 Operationen an 30 Patient*innen liegen die Kosten damit bereits bei 14.000 / 30 = > 467.- Euro je Patient, noch nicht eingerechnet die Ausgaben der Gastgeber für Hotel, Personal, Transport etc., die nach gut fundierter Einschätzung nochmal denselben Betrag verschlingen dürften. Die Kosten pro Patient liegen damit nicht weit von 1.000.- Euro, das ist nicht viel weniger als eine indische Grundschullehrerin im Jahr verdient. Und genausowenig mit eingerechnet sind die Ausgaben für die in der Zwischenzeit in Indien verschollenen chirurgischen Instrumente, für die wir trotz grossem Entgegenkommen mehrerer Firmen (vor allem Fa. Medicon, Tuttlingen, Fa. Erbe, Tübingen, Fa. KLS Martin, Tuttingen, und – wieder einmal – Fa. B. Braun, Melsungen) deutlich mehr als € 20.000.- ausgeben mussten. Die „Abschreibung“ hierfür darf ebenfalls nicht unter den Tisch fallen.

Unter dem Punkt „Administration“ erlebten wir auch gleich die nächsten Überraschungen: das Medical Council of India, also die unserer Bundesärztekammer entsprechende Institution, war während der Corona-Pause einfach „abgewickelt“ und in eine streng nationale Behörde überführt worden, die „National Medical Commission“. Das wäre nun an sich kein grosses Problem; allerdings passt die Massnahme gut in die insgesamt zu beobachtende politische Entwicklung in der „grössten Demokratie der Welt“, die 2022 eine Reihe von Massnahmen getroffen hat (s. zum Beispiel im Deutschlandfunk https://www.deutschlandfunkkultur.de/indien-ngo-modi-zivilgesellschaft-100.html), um inländische NGO´s an ihrer Tätigkeit zu hindern bzw. sie einfach zu verbieten, aber auch ausländische NGO´s nach Kräften einschränkt, zumindest dann, wenn sie nicht offensichtlich dem nationalistischen Ziel der BJP-Partei dienen. Das gilt z.B. auch für nicht-hinduistische Bevölkerungsgruppen, in erster Linie die muslimische „Minderheit“ (fast 200 Millionen Bürger*innen), aber ebenso für christliche Gruppen (ca. 30 Millionen). Interplast arbeitet – anders als EFI – in Indien (und Afrika) vielerorts mit christlich-kirchlichen Einrichtungen zusammen, die nahe Zukunft wird zeigen, wie sich diese Kollaborationen entwickeln werden. Zusammenfassend scheint sich der indische Mega-Staat, der mit 1,4 Milliarden Einwohnern knapp hinter China die zahlenmässig grösste Bevölkerung weltweit aufweist (es fehlen „lächerliche“ 42 Millionen), von der aber nur weniger als ein Drittel in den Planungen und Angaben (und Köpfen) der Regierenden tatsächlich vorkommt, auf den Weg in ein nationalreligiös-zentralistisches Regime gemacht zu haben, seit Narendra Modi vor 9 Jahren die Regierung übernommen hat. Keine gute Perspektive für Interplast und andere NGO´s und vor allem nicht für fast eine halbe Milliarde Inder*innen.

Im Zusammenhang mit unserer Einsatzplanung war als Erstes festzustellen, dass die vorgeschriebene fachliche Registrierung beim NMC (die auch deutsche Behörden von ausländischen Ärzteteams selbstverständlich verlangen würden) nicht möglich war, einfach dadurch, dass die entsprechende Website aus Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich, der Schweiz und Liechtenstein nicht geöffnet werden konnte (und gerade jetzt am 9. März 23 noch immer nicht). Unsere Partner in Noida halfen uns, dieses wohl nicht zufällige Hindernis zu umgehen, indem sie unsere Daten auf die Website eingaben, was für beide Seiten einen erheblichen Aufwand darstellte. Ob und wann die Registrierung, mit deren Beantragung wir schon mehr als vier Monate vor dem geplanten Camp begonnen hatte, akzeptiert und erteilt werden wird, steht in den hinduistischen Sternen.

Die nächste Hürde, und an deren Überwindung arbeiten wir noch erneut mit grossem zeitlichem Einsatz und ungewissem Ausgang, stellen die notwendigen Visa dar. Die Websites der indischen Regierung, der Indischen Generalkonsulate in Frankfurt und München und der einzigen verbliebenen Agentur nehmen zur Frage eines kurzfristigen NGO-Einsatzes entweder keine Stellung, erklären ein Touristenvisum für ausreichend oder deklarieren alternativlos ein Arbeitsvisum („Employment-Visa“) für notwendig, allerdings nur, wenn durch die Tätigkeit Einkommen erzielt wird. Nachfragen bei den betreffenden Botschaften haben ebenfalls sich widersprechende Aussagen gezeitigt, die wiederholten schriftlichen Bitten um gegebenenfalls vorzeigbare schriftliche Stellungnahme sind seit längerer Zeit ohne Antwort geblieben. Zudem hat eine persönliche Vorsprache bei der Deutschen Botschaft in New Delhi im November (s. „Haridwar“) nach vielen Wochen zu einer schriftlichen Mitteilung des dort tätigen Consuls F.R., Leiter der Sektion Rechtliches und Konsularangelegenheiten, geführt des sinngemässen Inhalts, die Deutsche Botschaft könne uns in Bezug auf Visa-Vorschriften und -Beschaffung nicht weiterhelfen und wir sollten uns im Internet nach einer Art Selbsthilfegruppe für ähnlich behinderte NGO´s umsehen. Ansonsten wünsche er uns aber viel Erfolg bei unseren weiteren Bemühungen.

In den letzten Tagen (Stand 11-03-23) hat die mit der Einholung zweier Arbeitsvisa vom Indischen Generalkonsulat Frankfurt exklusiv beauftragte Vermittlerfirma IGCS Ltd. in einem Fall eine bereits vor Wochen vorgelegte, vielseitige Ausarbeitung zum Status und zur Rechtsform der gastgebenden Institution (also des Rotary-Clubs Noida) erneut angefordert, um dann nach erneuter Übersendung unter dem Hinweis, ein Arbeitsvisum müsse eher sechs als vier Wochen vor Einreise beantragt werden, ein förmliches Entsendungsschreiben nachzufordern.

Im anderen Fall wurde von derselben Firma (die natürlich neben den erheblichen Gebühren für das Visum selbst nicht unerhebliche eigene Bearbeitungsgebühren erhebt und im ersten Satz der Vereinbarung gleich darauf hinweist, dass einmal bezahlte Gebühren unabhängig vom Ausgang des Antragsverfahrens verfielen) erst auf Nachfrage mitgeteilt, eine Ergänzung des Antrags sei überhaupt nicht eingegangen. Nichtsdestoweniger wurde auch hierzu ein Entsendungsschreiben verlangt.

Gefühlt stehen die Chancen, dass wir uns zu Sechst am Gründonnerstag auf den Weg machen und dann auch Einreisekontrolle und Zoll störungsfrei oder wenigstens ohne grosse Probleme mit all unserer Ausrüstung passieren werden können, etwa 50:50 (oder, wie ein bekannter deutscher Fussballer sagen würde, „40 zu 40“). Wir werden so oder so weiter berichten.

Derzeit sind also je nach Wohnort mehrere unterschiedliche Visa beantragt, die Spannung ist erheblich, schliesslich haben unsere Gastgeber einige Mühe und erhebliche Kosten in die Vorbereitung investiert, während auf unserer Seite neben den Ausgaben für die Tickets und das Material Praxisurlaube, Urlaube in Kliniken und buchstäblich Hunderte Stunden an Zeit verbraucht worden sind. Es wäre schade darum.

Geplanter Einsatz Noida 14. bis 24.März 2020

Das hat leider nicht geklappt wie erwartet und seit langer Zeit geplant: wegen der weltweit eskalierenden Corona-Virus-Situation („Covid-19“, wie der offizielle Krankheitsname lautet) mussten wir zum Schutz unseres Teams kurzfristig absagen. Diese Entscheidung tragen alle Mitglieder des geplanten Teams gemeinsam (Frau Dr. Eva-Maria Baur aus Murnau/Bayern; Frau Dr. My Nguyen aus Stolberg/NRW; Frau Sandra Stauber aus Straubing/Bayern; Frau Dr. Andrea Stangl-Counsel aus Trogen/CH; Frau Carmen Walder aus Götzis/A; Herr Dr. Turkhan Mehdiyev aus Innsbruck/A; Herr Dr. Rajmond Pikula aus Götzis/A, und Prof.Dr. Hajo Schneck aus Grafing/Bayern), die Gastgeber (der Rotary Club Noida um Mr. Shashank Agarwal), die ebenso wie das Team eine ganze Menge Vorarbeit und Geldmittel investiert hatten, zeigten sofort volles Verständnis für unsere Situation und werden ohne Ressentiments einen Einsatz zu einem späteren Zeitpunkt vorbereiten, je nach Entwicklung erst nächstes Frühjahr.

„Zum Schutz des Teams“ soll dabei nicht bedeuten Schutz vor Ansteckung oder vor schwerer Krankheit; der Ansteckung mit diesem epidemiologisch noch nicht sehr gut untersuchten Virus wird wohl kaum jemand auf Dauer entgehen, die Massnahmen, die weltweit getroffen, geändert, erneut in Kraft gesetzt und mehr oder weniger umgesetzt werden, sind in unserer eng vernetzten Gesellschaft gut gemeint, aber wohl letztlich unwirksam.

Das Virus bringt einige gute Voraussetzungen für eine weltweite Verbreitung mit, die wichtigste davon neben einer relativ leichten Übertragung (nicht so leicht wie die Windpocken, aber immerhin vermutlich etwa so wie Grippe, Kinderlähmung oder Masern) ist eine recht lange Inkubationszeit, während der bereits die Übertragung möglich ist – mit dieser zweiten Eigenschaft hat es auch HIV um die ganze Welt geschafft). Im epidemiologisch schlimmsten Fall kommt es nicht einmal zu ernsthaften Beschwerden (verkürzt gesagt dreimal Niesen, zweimal Husten und dann vergessen), und gegen diese subjektiv gesunden Überträger ist kein Kraut gewachsen.

In den kommenden Monaten werden sich nennenswerte Teile der Weltbevölkerung (es sind schon alle Kontinente ausser der Antarktis erreicht) infizieren, einige werden an Covid-19 sterben – die Gesamtletalität ist noch nicht zu erfassen, weil vermutlich die Zahl der unbemerkt Infizierten sehr hoch ist, liegt aber schon bei den positiv Getesteten „nur“ um die 2%. In dieser ersten Runde trifft das Virus auf weitgehend „jungfräuliche“ Immunsysteme, die sich mit unspezifischen Methoden wehren – zu mindestens 98% erfolgreich, vermutlich aber, s.o., noch wesentlich effizienter. Bei der nächsten Runde (andere Corona-Viren sind, wie auch Influenza- und viele andere Viren, im Sommer wetter-und verhaltensabhängig weniger erfolgreich) vielleicht nächsten Spätwinter wird bereits ein nennenswerter Anteil der Bevölkerung spezifische Abwehr auffahren können (Antikörper vom Erstkontakt). Die dann sinnvollen Reihenuntersuchungen zur Einschätzung der Durchseuchung (ein unschöner Begriff, der angibt, bei welchem Anteil einer bestimmten Personengruppe eine Antikörper-Bildung nachzuweisen ist; je höher die Durchseuchung, desto weniger ist eine En-, Epi- oder Pandemie zu befürchten – Thema Masernimpfung etc.). Je nach Durchseuchung wird dann eine Impfung zu überlegen sein – an dieser Stelle seien die geschätzten Impfgegner um Geduld gebeten, eine Impfung, die man dann verweigern könnte, ist frühestens in ein bis zwei Jahren zu erwarten (wenn sich das Virus, welches wie der Grippe-Erreger ein RNA-Virus ist, in seinen Eigenschaften ähnlich variabel zeigen sollte, eher noch später).

3. Einsatz Noida 02. bis 12. April 2019

Nach den guten Erfahrungen mit dem 2018 erstmals besuchten Prakash Krankenhaus in Noida und der erneut reibungslosen und sehr engagierten Unterstützung durch die Gastgeber vom Rotary-Club Noida führte der bereits dritte Einsatz des Teams um Dr. Eva-Maria Baur im April erneut dorthin.

Neben der Sorge für unser EFI-Interplast-Team (die „Elternschaft“ lag auch diesmal wieder bei der Sektion Bad Kreuznach) betreibt dieser sehr aktive Rotary-Club so unterschiedliche Projekte wie

  • eine grosse und, wie wir uns bei einer ausführlichen Besichtigung überzeugen konnten, hochmodern ausgestattete und auf hohem Niveau arbeitende Blutbank, die u.a. auch Stammzell-Separation, Plasmapherese und Thrombozytenseparation durchführt;
  • ein reglmässiges zahnärztliches Untersuchungsprogramm für Schulkinder;
  • eine Gesamtschule für bedürftige Kinder der Region oder
  • ein Aufforstungsprogramm

Nach guter Vorbereitung und mühsamer Abarbeitung der jedes Jahr zunehmenden, auch noch von Konsulat zu Konsulat uneinheitlichen formalen Anforderungen von Einwanderungsbehörde und Indischer Ärztekammer (Medical Council of India) startete das Team aus zweimal Chirurgie (Dr. Baur, Murnau und Uni Innsbruck, und Dr. Rajmond Pikula, Götzis/Voralberg, Österreich, und Vaduz/Liechtenstein), zweimal Anästhesie (Dr. My Nguyen aus Stolberg bei Aachen und Dr. Sarah Göbel aus Köln) sowie zwei Op-Schwestern aus dem Raum Straubing (Sandra Stauber und Silvia Wintermeier-Griesbeck) zu dem für 10 Tage angesetzten Op-Camp. Als Mädchen für Alles, Dokumentation, Fotografie, Nachschub, Logistik und Aussenminister konnte diesmal auch Hajo Schneck wieder mit von der Partie sein.

Im gut ausgestatteten Op des Prakash Hospital wurden während dieser Zeit über 80 Patientinnen und Patienten untersucht und danach fast 60 Eingriffe durchgeführt. Im Vordergrund standen wie jedes Jahr (und wie fast überall in Indien, seit spezialisierte Organisationen wie beispielsweise die Smile Train Foundation den früher von Interplast-Teams geleisteten Anfall an Lippenspalten-Operationen weitgehend übernommen haben) veraltete Verbrennungsnarben, Hand-Fehlbildungen und unbehandelte, schlecht verheilte Unfallfolgen.

Erfreulich und für die Zahl der verfügbaren Termine sehr wichtig war das Einverständnis der gastgebenden Klinik, uns die Op´s und das weitere Umfeld (Labor, Station, Hilfspersonal im Op etc.) auch am Wochenende zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise wurden sieben volle Op-Tage möglich, eine gute Relation bei nur 10 Tagen Gesamtreisedauer (sprich Abwesenheit aus Praxis und Klinik).

Die Nachsorge wurde von örtlichen Kollegen aus der Prakash-Klinik für etliche Tage fortgeführt, letztlich kamen alle Eingriffe zu einem sehr guten oder guten Ergebnis. Für alle Beteiligten von beiden Seiten des Arabischen Meers stand es ausser Frage, dass dasselbe oder ein ähnliches Team auch 2020 wieder nach Noida kommen würde.

Nach momentanem Stand wird das im März 2020 der Fall sein mit einem nur wenig veränderten Team und eventuell einer oder einem weiteren Chirurgin/-en, um den Patienten-„Durchsatz“ zu steigern. Mal sehen!

2. Einsatz Noida 18. bis 25. April 2018

Zum zweiten Einsatz in Noida brach unter Leitung von Frau Dr. Eva.Maria Baur aus Murnau ein sehr ähnliches Team auf wie im Jahr zuvor; wieder mit von der Partie waren Dr. Pikula und Sandra Stauber, Hajo Schneck hatte aus privaten Gründen kurz vor Abflug absagen müssen. Verstärkt wurde das Team durch Frau Dr. Bui Hong My Nguyen, eine erfahrene Interplast-Anästhesistin aus dem Aachener Raum, Frau Dr. Sarah Göbel aus Köln und die Op-Schwester Valerie Eggs aus Offenburg. Eine Erleichterung war es diesmal, dass ein Teil des doch gewichtsmässig bedeutenden chirurgischen und anästhesiologischen Instrumentariums geplant in Haridwar zurück gelassen und von den befreundeten Rotariern nach Noida transportiert werden konnte.

Die Organisatoren um Mr. Shashank Agarwal hatten für dieses Jahr ein kleines Krankenhaus unweit des ersten ausfindig gemacht und eine Zusammenarbeit vereinbart, das Prakash Hospital unter der Leitung von Frau Dr. Gagandeep Kaur. Die Zusammenarbeit bereits im Vorfeld gestaltete sich einfach, gerade heraus und dank der Fachkompetenz von Frau Dr. Gagan sehr effizient. Die Gegebenheiten im Krankenhaus standen denen im – reicheren – Haus des Vorjahres für unsere Zwecke nicht nach, auch im nächsten Jahr wird dieses Haus wieder unser Ziel sein.

1. Einsatz Noida 19. bis 28. April 2017

Einen ersten, kurzen Test-Einsatz führten wir im April 2017 durch. Ein kleines Team aus zwei ChirurgInnen (Dr. Eva-Maria Baur aus Murnau) und Dr. Rajmund Pikula von der Universität Innsbruck, einem Anästhesisten (Dr. Martin Kreutzer aus Düsseldorf), einer Op- und einer Anästhesie-Schwester (Sandra Stauber aus Straubing, Eva Kreutzer aus Düsseldorf) und Prof. Hajo Schneck als „Mädchen für alles“ verbrachten eine gute Arbeitswoche in einer hervorragend ausgestatteten Privatklinik in Noida, dem Prayak Hospital. Wir (Dr. Fromberg und ich) hatten das Krankenhaus schon im Dezember 2016 kurz besucht, besichtigt und für geeignet befunden, als wir zur Hochzeit der Tochter eines der Hauptakteure im Haridwar-Projekt nach Greater Noida eingeladen waren.

Trotz der Kürze der Zeit und der Beschränkung auf nur einen Op-Tisch (die Klinik lief wie gewohnt weiter und begann mit dem Op-Betrieb für einige der zahlreichen dort geübten Fächer bereits um 06:00 morgens) konnten wir mehr als 50 zum Teil sehr umfangreiche Eingriffe durchführen.

Die Zusammenarbeit mit den örtlichen Rotarieren, insbesondere mit Mr. Shashank Agarwal, der in Noida eine nicht zu kleine Firma für Sendeanlagen besitzt und betreibt, war exzellent und von einer zuvor nur in Haridwar erlebten Fürsorge auf allen Ebenen getragen. Auch die Interaktion mit der Klinik war mehr als zufriedenstellend, kompetentes Personal, ein notfalls auch rasch reagierendes Beschaffungswesen, sehr gute Hygienestandards, eine zuverlässige Überwachung und gute Nachsorge liessen keine Wünsche offen. Allerdings wurde unser Aufenthalt mehr als gewohnt für PR-Zwecke der privaten (und von Indiens „Managerin des Jahres“ geleiteten und besessenen) Klinik genutzt, eher ausgenutzt. Darüber hinaus gab es wohl von uns weitgehend fern gehaltene Differenzen zwischen Klinik und Rotary-Club, so dass eine Wiederholung am selben Ort nicht mehr in Frage kam.

Aus medizinischer Sicht war das Camp jedenfalls rundum erfolgreich, auch die Dynamik innerhalb der Gruppe liess hoffen, dass sich hier ein weiteres stabiles Team entwickeln könnte – dass diese Hoffnung nicht trog, hat der Folgeeinsatz im April 2018 bereits gezeigt.

Für einen Einsatz mit „nur“ 53 Operationen an einem Op-Tisch in wenigen Tagen sind die Kosten pro Patient natürlich höher als wenn an zwei Tischen und an mehr Tagen gearbeitet werden kann; der Haupt-Kostenfaktor Reisekosten ist ja in beiden Fällen absolut gleich. Die Ausgaben für EFI betrugen insgesamt gut 12.000.- Euro, das sind aus den genannten Gründen mit etwa € 600.- pro Operation deutlich mehr als gewohnt. Aber: immer noch extrem wenig trotz Flugkosten u.s.w. im Vergleich zu einer viel kleineren Operation in Deutschland, das steht fest.

April 2017 – EFI startet ein weiteres Hauptprojekt in Noida/Uttar Pradesh  – Indien

Das Hauptprojekt von EFI im nordindischen Haridwar pflanzt sich fort: über die Organisationsstrukturen und internen Medien der indischen Rotarier erfuhr der Rotary Club Noida im Bundesstaat Uttar Pradesh (östlich von New Delhi) von den dort von EFI aufgebauten, nun schon seit 10 Jahren etablierten und finanzierten Op-Camps (s. „Hauptprojekt Haridwar“).

Ebersberger Förderverein Interplast e.V. - EFI e.V. - Noida

Ebersberger Förderverein Interplast e.V. – EFI e.V. – Noida

Auf der persönlichen Schiene der Bekanntschaft zwischen unserem Haridwarer Haupt-Ansprechpartner Rajiv Bhalla und dem aktuellen Club-Präsidenten in Noida, Shashank Agarwal, trat der Club an EFI heran mit der Fragestellung, ob etwas Ähnliches auch in Noida vorstellbar sei.

Noida (aus „New Okhla Industrial Development Authority“; in Anlehnung an einen älteren industriellen Bezirk in Delhi´s Süden, Okhla) ist eine erst vor gut 40 Jahren unter Federführung von Sanjay Gandhi, dem umstrittenen Sohn der umstrittenen Indira Ghandis, die damals Premierministerin war, gegründete Industriestadt im Nordosten von New Delhi. Sie sollte den Rahmen für die strukturell gut unterlegte Ansiedlung mittelgrosser und grösserer Industriebetriebe bieten. Inzwischen ist Noida, das zum Bundesstaat Uttar Pradesh mit seinen weit über 200 Millionen Einwohnern gehört, an Delhi heran- und selbst zu einer Grossstadt herangewachsen, die ursprünglich vorgesehene Privilegierung der Mittelklasse-Einwohnerschaft wurde vom Bevölkerungswachstum und von einer wachsenden unterprivilegierten Bevölkerungsschicht aus der Dienstleistungssparte zunichte gemacht; heute leben in Noida anteilig ebensoviele Arme wie in anderen industrialisierten indischen Städten, die wohlhabenderen Einwohner haben sich Jahr für Jahr mehr in ihre umzäunten und von bewaffneten Safety-Mitarbeitern bewachten Häuser zurück gezogen, wie man es aus Südamerika, den USA und anderen Weltregionen kennt, in denen die soziale Schere weit geöffnet ist. Die gegenwärtige Einwohnerzahl von Noida wird auf gut eine Million geschätzt, ein Wachstumstempo, dem auch gut gemeinte Substruktur-Massnahmen (Nahverkehr, Zu- und Abwasser, Strom etc.) nichts entgegen zu setzen haben. Es gibt also trotz der privilegierten Lage zwischen Hauptstadt und touristisch florierendem Agra mit dem Taj Mahal und weiteren Weltsehenswürdigkeiten für Interplast und andere NGO´s mehr als genug zu tun.